Der Toggenburger Esoterikstar Christina von Dreien schreibt im neuen Buch über die «Menschheit in Vollnarkose»

Heute erscheint das neue Buch des Toggenburger Esoterikstars Christina von Dreien. Seine Botschaften sind heikel. Sektenexperte Georg O. Schmid übt Kritik.

Katharina Brenner
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Die ersten beiden Bücher über Christina von Dreien hat ihre Mutter Bernadette Meier geschrieben.

Die ersten beiden Bücher über Christina von Dreien hat ihre Mutter Bernadette Meier geschrieben.

Bild: Beat Lanzendorfer

«Wir leben hier wirklich in einem Zoo voller Ausserirdischer.» Das schreibt die Toggenburger Esoterikerin Christina von Dreien in ihrem neuen Buch. Auf der Erde liefen viele Wesen herum, die zwar aussähen wie Menschen, aber von unterschiedlichsten Orten kommen: inkarnierte Menschenseelen, innerirdische Wesen sowie Ausserirdische, unter ihnen Immigranten, Touristen und Kriegsflüchtlinge. Letztere seien auf der Erde gelandet, weil sie durch intergalaktischen Kriege heimatlos geworden waren. Die ersten beiden Christina-Bände hat ihre Mutter Bernadette Meier geschrieben. Der dritte Band mit dem Titel «Christina. Bewusstsein schafft Frieden», der heute erscheint, ist ein Zusammenschnitt von Seminaren der Esoterikerin und ihren Auftritten in der Sendung «Time to be» auf «Schweiz 5».

Die 18-jährige bezeichnet sich als Teil einer Gruppe von Kindern aus höheren Sphären und prophezeit eine ideale Gesellschaft. 2016 soll es fast so weit gewesen sein; gemäss Buch könnten auch noch 100 Jahre vergehen, bis es so weit ist. Mit ihren Seminaren füllt von Dreien Säle in der Schweiz, in Österreich und Deutschland. Gemäss Geleitwort ist sie gerade in Südamerika. Was sie dort macht? Private Anfragen beantworte Christina nicht, lässt ihre Mutter wissen. Spätestens im Februar sollte sie zurück sein, für ihr erstes Tagesseminar im neuen Jahr in Wil. Eintritt: 190 Franken.

Verbindung zur Quelle vergessen

Ihr neues Buch ist eine Ansammlung ihrer Überzeugungen. Teils in platten Aphorismen: «Man muss nicht immer einen Grund haben, um glücklich zu sein. Man kann es auch einfach so sein.» Teils in kruden Theorien. Von Dreien geht davon aus, dass etwas Göttliches alles geschaffen hat, die Menschen ihre Verbindung zu dieser Quelle aber vergessen haben, da sie in einer «Vollnarkose» sind. Seit etwa 100 Jahren lasse diese nach. Dank spiritueller Bücher und Seminare beginne die schlummernde Spiritualität der Menschen wieder aufzuwachen.

«Aus Sicht der Quelle wird niemals etwas geschehen, ohne dass alle betroffenen Seelen ihr ‹Ja› zu der Situation gegeben haben», so von Dreien. Alles, was passiert, habe einen Sinn. Georg O. Schmid, Leiter der Evangelischen Informationsstelle Kirchen-Sekten-Religionen Relinfo, findet es «unerträglich zynisch», wenn von Dreien Opfern schwerster Verbrechen sagt, ihr Schicksal sei selbst gewählt und für die Menschheit gut.

Schmid beobachtet von Dreien seit langem. Ihre Popularität sei seit Frühling nicht mehr im selben Ausmass gewachsen wie in der Zeit von Sommer 2018 bis Frühling 2019. Anfragen, vor allem von beunruhigten Angehörigen von Christina-Fans, erreichen die Fachstelle nach wie vor. «Häufig genannt werde der Verzicht auf medizinische Behandlungen, der Abbruch von Studien und der Rückzug von bisherigen Kontakten.» Wie weit diese Phänomene auf die Tätigkeit von Christina von Dreien zurückgehen, sei im Einzelfall jeweils schwer zu sagen.

Machthaber und Strippenzieher hinter 5G

Wissenschaft und Medizin kann von Dreien nichts abgewinnen. Übers Älterwerden schreibt sie, es sei ein Programm in unserem Gehirn, dass wir denken, unsere Sehkraft nehme ab. Wer seine Schwingung erhöhe, könne den physischen Alterungsprozess verändern. Wahrheit sei etwas Individuelles, so der Tenor des Buches. Das macht es der 18-Jährigen leicht, medizinische und wissenschaftliche Fakten zu leugnen. Das Bildungssystem kritisiert von Dreien deutlich. Aus Plänen, eine eigene Schule ohne Lernziele zu gründen, wurde wiederum nichts. Abstimmungen sieht sie als Problem, denn wer abstimmt, gebe seine Stimme feinstofflich ab. Mit diesen Behauptungen positioniert sich von Dreien als Kritikerin der Demokratie.

Von Dreiens grosses Thema seit Monaten ist das Mobilfunknetz 5G: Es blockiere die spirituelle Entwicklung, Machthaber und Strippenzieher könnten damit Menschen und Tiere manipulieren. Einmal mehr Behauptungen, die jeglicher Grundlage entbehren. Nach 30 Kapiteln Verschwörungstheorien, Panikmache, Rufen nach Veränderung und die Bedeutung von Seminaren, wie von Dreien sie gibt, schreibt sie:

«Ich kann und soll nicht eure Probleme lösen.»

Georg O. Schmid fällt auf, dass von Dreien den Klimawandel mit keinem Wort erwähnt. Sie hätte zu einer «Schweizer Greta Thunberg» werden können. Stattdessen propagiere sie Verschwörungstheorien, die von Personen einer älteren Generation stammen. «Damit ist Christina von Dreien eines ganz bestimmt nicht: Die Vertreterin oder gar Vorreiterin einer neuen Jugend.»