«Der Chatbot reagiert, wenn man ihn beleidigt»

Nachgefragt

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Ihren Chatbot hat die SVA St. Gallen zusammen mit der Zürcher Firma Byerley entwickelt. Co-Gründer Labinot Demaj, der bis Ende 2017 das Labor für Verhaltensforschung an der Universität St. Gallen geleitet hat, sieht in den digitalen Assistenten grosses Potenzial.

Labinot Demaj, beim Chatbot der SVA St. Gallen klicke ich mich als Nutzer durch verschiedene Untermenus. Kann ich das nicht einfach auf der Webseite der Versicherungsanstalt tun?

Im Unterschied zur Internetseite muss man sich mit dem Bot die Informationen zur Prämienverbilligung nicht mühsam zusammensuchen. Der Bot weiss, was relevant ist, legt die Grundlagen richtig aus und überträgt sie auf den konkreten Einzelfall.

Der Name erweckt den Eindruck, dass man mit einem Chatbot eine Art Unterhaltung führen könnte. Weshalb ist das mit dem SVA-Bot nicht möglich?

Dass der Dialog ziemlich starr ist, liegt an den Entscheidungsbäumen, auf denen die Software beruht. Ohne diese kann der Bot gar nicht prüfen, ob etwa ein Anspruch auf Prämienverbilligung besteht. Sobald künstliche Intelligenz einen offenen Dialog führen soll, wird es sehr komplex. Doch der Chatbot kann auch ausserhalb des starren Ablaufs reagieren. Etwa, wenn man ihn beleidigt.

In der Privatwirtschaft wird der sprachbasierten Software ein grosses Potenzial bescheinigt. Welche Möglichkeiten bietet sie der öffentlichen Hand?

Die Einsatzmöglichkeiten in der Verwaltung sind riesig. Überall dort, wo die Abläufe standardisiert sind und das Gesetz keinen Ermessensspielraum zulässt, können Bots eingesetzt werden und die Verwaltungsangestellten entlasten. Ausserdem ist die Verwaltung mit einem Bot rund um die Uhr auf einem Kanal erreichbar, der von einem Grossteil der Bürger genutzt wird. Das senkt die Hemmschwelle, mit der Verwaltung in Kontakt zu treten. Doch ein Chatbot ist mehr als ein weiterer Kommunikationskanal zwischen Verwaltung und Bürgern.

Inwiefern?

Er reduziert für die Bürger die zunehmende Komplexität der Verwaltung. Die ganzen bürokratischen Zuständigkeiten und Verfahren spielen sich nur noch im Hintergrund ab, sie werden für den Nutzer unsichtbar.

Was macht einen guten Chatbot aus?

Bei einer Anfrage sollte er rasch die Absicht des Nutzers erkennen. Im besten Fall ist er zudem erster Ansprechpartner für möglichst viele Verwaltungsbelange. Zu diesem Zweck sollte er Dienste anbieten, die sich in den Alltag einfügen und nicht bloss einmal im Jahr genutzt werden.

Der SVA-Bot läuft über den Facebook-Messenger. Wie wird dabei der Datenschutz sichergestellt?

Es gelten die Datenschutzbestimmungen von Facebook. Der Chatbot fragt deshalb auch keine sensiblen Informationen ab, beispielsweise zum Einkommen. Für die Anmeldung oder die Berechnung der Prämienverbilligung wird der Nutzer am Schluss auf die verschlüsselte Internetseite der SVA weitergeleitet. Der Bot könnte auch direkt auf dieser Seite oder einer anderen Plattform eingebunden werden, sodass die Nutzer selber entscheiden können, wem sie ihre Daten anvertrauen. (hae)