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Ostschweiz
Der Soziologieprofessor Patrick Ziltener steigt für die St.Galler Grünen in den Ständeratswahlkampf. Er will vor allem mit Umweltpolitik punkten – und nicht mit «regionalpolitischem Egoismus», wie er sagt.
Er meint es ernst: «Ich würde so etwas nie aus Jux machen», sagt Patrick Ziltener, Ständeratskandidat der St.Galler Grünen für die Ersatzwahl vom 10. März. An Heiligabend gab die Partei seine Kandidatur bekannt. Ziltener tritt damit im Rennen um die Nachfolge von Karin Keller-Sutter gegen Regierungsrat Benedikt Würth (CVP) und Kantonsrätin Susanne Vincenz-Stauffacher (FDP) an – eine Kandidatur der SVP wird ebenfalls erwartet.
Ziltener ist Titularprofessor und derzeit Dozent für Soziologie und Wirtschaftsgeschichte an den Universitäten Zürich, St. Gallen und Innsbruck. Als Politiker der Grünen sei er kein Quereinsteiger, sondern ein Rückkehrer, betont Ziltener: «Ich war in den 80er-Jahren in St.Gallen politisch sehr aktiv, während der Gründungsphase der Grünen.» Der Kampf gegen die Luftverschmutzung sei damals ein grosses Thema gewesen. Als Sohn des früheren St. Galler CVP-Stadtrats Erich Ziltener wuchs Patrick Ziltener in einem politischen Haushalt auf. «Wir haben viel diskutiert. Es gab auch Streit, weil ich damals als ziemlich radikaler junger Grüner auftrat.» Doch sein Vater habe umwelt- und sozialpolitisch fortschrittliche Positionen vertreten. «So lagen wir in konkreten Sachfragen gar nicht so weit auseinander.»
Ziltener wechselte dann in die Wissenschaft, «und ich dachte, ich wolle dort bleiben». Doch seit den nationalen Wahlen 2015, als Yvonne Gilli abgewählt wurde und die St. Galler Grünen damit ihren Nationalratssitz verloren, beschäftigte sich Ziltener mit dem Gedanken, wieder in die Politik einzusteigen. Die Initialzündung gab dann die Klimadebatte im Bundesparlament Anfang Dezember: «Das klimapolitische Debakel im Nationalrat hat gezeigt, dass das Parlament in der jetzigen Zusammensetzung nicht fähig ist, Klimapolitik zu betreiben», so Ziltener. Der Entwurf für das CO2-Gesetz sei stark verwässert und am Schluss abgelehnt worden. «Jetzt muss es in der Klimapolitik vorangehen», sagt der 51-Jährige. Es sei «skandalös», dass sich die Schweiz diesbezüglich zu den ambitionierten Staaten zähle, dann aber nicht fähig sei, das innenpolitisch umzusetzen.
Was will Ziltener im Ständerat konkret für den Kanton St.Gallen bewirken? «Uns geht es weniger um regionalpolitischen Egoismus», sagt er. Natürlich seien Dinge wie eine gute Anbindung an den öffentlichen Verkehr wichtig. «Doch vor allem braucht St. Gallen eine starke grüne Stimme.»
Ziltener ist sich bewusst, dass er im Kanton kaum bekannt ist. «Das ist tatsächlich ein Handicap.» An die Öffentlichkeit trete er regelmässig mit öffentlichen Vorlesungen an der Universität St. Gallen und hoffe nun, mit seinen Wahlkampfauftritten zu überzeugen. Ziltener betont seine wissenschaftliche Vernetzung mit der Bundesebene: «Ich war vier Jahre im Staatssekretariat für Wirtschaft aktiv und kenne die Bundesverwaltung sehr gut.» Er habe Auftragsforschung für Bundesbehörden betrieben, etwa für das Aussendepartement. Auf dieses Netzwerk werde er auch als Bundespolitiker zurückgreifen können.
Würde Ziltener tatsächlich gewählt, wäre er nebst Paul Rechsteiner (SP) der zweite linke Vertreter aus St. Gallen im Ständerat. «Ich denke, wir würden uns gut ergänzen», sagt Ziltener «Ich habe meine Kompetenzen vor allem in der Umwelt- und Wirtschaftspolitik, er ist sehr stark in der Sozialpolitik.»
Jetzt ist es offiziell: Die Abtwiler Kantonsrätin Susanne Vincenz-Stauffacher soll den Sitz der St. Galler FDP im Ständerat verteidigen. An der Parteiversammlung am vergangenen Samstag wurde die selbstständige Rechtsanwältin und ehemalige Vizepräsidentin der Kantonalpartei einstimmig nominiert. 135 Mitglieder nahmen am Anlass teil, davon 95 stimmberechtigte Delegierte. Vincenz-Stauffacher zeigte sich sehr erfreut über den starken Rückhalt, sagte aber auch, dass sie im Wahlkampf weiterhin darauf angewiesen sein werde: «Die Ausgangslage ist – behutsam ausgedrückt – anspruchsvoll.» (av)