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Ostschweiz
Nichts weniger, als die Demokratie auf den Prüfstand zu stellen, muteten die Verantwortlichen des Networking-Day ihrem Publikum zu. Der Nachmittag wurde so anregend wie erhofft und präsentierte zum Glück keine pauschalen Antworten.
Freitagnachmittag um 15 Uhr – der Networking-Tag der FHS Alumni läuft mittlerweile seit zwei Stunden. Und er läuft bestens. Erneut ist es eine inhaltlich und technisch perfekt inszenierte Show, die auch intelligente Köpfe herausfordert und aus der Komfortzone führt. Der Gesamtverantwortliche, Sigmar Willi, wirkt dennoch angespannter als im Vorjahr, als der Tag noch um das anregende aber vergleichsweise harmlose Thema der ewigen Jugend kreiste.
Der Grund für die Angespanntheit liegt durchaus nicht am Vortrag des Historikers und Bestsellerautors Daniele Ganser, der vor einer guten Stunde seine zugespitzte Sicht der Welt rhetorisch brillant im bis auf den letzten Platz besetzten Saal in der Olma-Halle 2.1 verteilt hatte. Vielmehr hatten Willi und sein Team seitens der Referenten und Podiumsteilnehmenden mit so vielen Absagen wie noch nie in der Vergangenheit zu kämpfen.
Gleich drei Experten mussten dem Networking-Tag aus jeweils nachvollziehbaren Gründen fernbleiben; eine der Absagen erfolgte sogar wenige Stunden vor dem Start des Events. «Das war nicht einfach, aber dass es uns gelang, die Absagen qualitativ gleichwertig zu besetzen, zeigt doch die Ausstrahlung und den Stellenwert unserer Veranstaltung», sagt Sigmar Willi, der Leiter der FHS Alumni. Inhaltlich veränderte die Neubesetzung wenig, denn statt Christof Moser referierte gemäss Programm nun Daniel Binswanger als Vertreter der unabhängigen Medien. Im abschliessenden Politpodium wurden Petra Gössi und Roland Rino Büchel durch Andrea Caroni und Diana Gutjahr quasi parteiintern ersetzt.
Nicht nur wegen der nicht planbaren Absagen dürfte der aktuelle Networking-Tag Sigmar Willi und sein Team ziemlich herausgefordert haben. Denn die durchaus lobenswerte konzeptionelle Idee, sich auf ein durch und durch politisches Thema einzulassen, machte die Programmierung der Gäste nicht eben einfacher. Spürbar wurde das für den Gesamtverantwortlichen spätestens mit der Verpflichtung des Historikers und Bestsellerautors Daniele Ganser. «Ja, die Verpflichtung von Daniele Ganser löste in verschiedenen Kreisen Kritik aus», bestätigt Willi. «Aber eine Absage war nie eine Option», gibt er zu bedenken, ohne die Kritikerkreise genauer zu benennen. An einer Veranstaltung, welche die Demokratie auf den Prüfstand stellt, wäre eine Ausladung überdies einer Farce gleichgekommen – und durchaus ein Verlust.
Denn unabhängig von der Nachvollziehbarkeit von Gansers Thesen und deren Beweislegung ist der in Lugano geborene Basler Bestsellerautor vor allem auch eines: eine rhetorische Wucht. Und dies, obwohl er verglichen mit seinen Büchern und mit seinen Vortragsreihen in St.Gallen geradezu moderat auftrat. Natürlich kreiste sein Inputreferat im Kern auch hier um geostrategische Beobachtungen. Ausgehend vom Neutralitätsbegriff der Schweiz fordert er beispielsweise den Ausstieg aus der Partnership for Peace, welcher die Schweiz 1996 beigetreten ist. Ganser bezeichnet das flexible Bündnis als «Kindergarten» der NATO. Auch mit Begriffen wie etwa «US-Imperialismus» triggerte er auch in St.Gallen immer wieder Widerspruchsreflexe – aber dies bewusst, anregend- herausfordernd und sprachlich brillant.
Im persönlichen Interview übrigens zerschlägt Ganser das stereotype Bild, das viele Medien von ihm zeichnen. Er wirkt zugänglich, stellt sich kritischen Fragen offen und überrascht auch immer wieder mit Humor. Das schweizweite Medienbashing hat seinem Marktwert übrigens nichts anhaben können: «Ich bin so gefragt wie nie zuvor, aber der Preis ist hoch», gibt er zu bedenken.