In der Schweiz greifen immer mehr Konsumenten zu legalem Cannabis. Dies zeigt eine Studie der Stiftung «Sucht Schweiz». Im Kanton St.Gallen sind es schätzungsweise 16'000 Personen.
Drei bis vier Joints pro Tag rauchte ein Universitätsstudent aus St.Gallen, um mit Stress, Angst und Depressionen umzugehen. «Es wirkte besser als die Medikamente, die mein Therapeut verschrieben hatte – meinte ich», sagt er. Doch nach einigen Jahren erkannte der 24-Jährige, dass die psychoaktive Wirkung von THC ihm Schaden zufügte. «Ich habe immer mehr konsumiert, um meinen Emotionen zu entkommen.» Also sei er umgestiegen. Auf CBD – legales Cannabis.
Immer mehr Schweizer greifen zu legalem Cannabis. Das zeigt eine kürzlich vorgelegte Studie der Stiftung «Sucht Schweiz». Via Facebook und Instagram wurden über 1500 Menschen in der Schweiz befragt, die bereits CBD-Cannabis-Käufer sind. Zwei Drittel gaben an, die legale Droge mindestens ein Mal in den letzten 30 Tagen genutzt zu haben. Ein Drittel dieser Nutzer greift täglich zu der Droge. «Die meisten konsumieren zusätzlich auch Tabak, E-Zigaretten und illegales Cannabis», so «Sucht Schweiz».
Wie sehen die Zahlen im Kanton St. Gallen aus? «Genaue Daten stehen uns nicht zur Verfügung», sagt Martina Gadient, Fachbereichsleiterin Sucht und Sexual Health im St. Galler Gesundheitsdepartement. «Wir gehen davon aus, dass sich die St. Galler Bevölkerung analog zur Schweizer Bevölkerung verhält.» Aktuell würden 3,1 Prozent der Schweizer Bevölkerung illegalen Cannabis konsumieren, das entspreche im Kanton St. Gallen hochgerechnet 15'700 Personen. Die Zahlen würden bei legalem Cannabis ähnlich ausfallen.
Gemäss Studie sind unterschiedliche Nutzertypen auszumachen:
Er habe nur ein bis zwei Mal illegales Cannabis konsumiert, sagt ein Student der Hochschule für Technik Rapperswil. «Die psychoaktive Wirkung war nichts für mich.» Aber CBD sei eine andere Sache. Der Stoff sei das, woraus Träume sind. «Es entspannt einfach.» Der 23-Jährige kennt viele, die dazu greifen. Die Mutter seiner Freundin nimmt vor dem Schlafengehen zum Beispiel ein paar Tropfen CBD-Öl, um damit ihre Schlafstörungen zu behandeln. «Ich habe seit 25 Jahren nicht mehr so gut geschlafen», sagt sie.
In der Schweiz ist es legal, Cannabis mit einem Tetrahydrocannabinol-Gehalt (THC) von unter einem Prozent zu verkaufen. Statt des THC steht beim sogenannten «CBD-Hanf» der Inhaltsstoff Cannabidiol (CBD) im Vordergrund. CBD wird hierzulande nicht als psychoaktive Substanz betrachtet. Daher untersteht der entsprechende Cannabis nicht dem Betäubungsmittelgesetz. Anbau, Handel, Besitz und Konsum von CBD-Hanf sind also völlig legal. Zur Freude der Konsumenten und zur Freude der Produzenten, denn diese machen mit dem Cannabis-Handel ein beachtliches Geschäft.
Die «Handelszeitung» bezifferte das globale Potenzial des Markts jüngst auf über 60 Milliarden Franken im Jahr 2024. Für die Schweizer Cannabis-Industrie wird ein Umsatzpotenzial von bis zu fünf Milliarden prognostiziert. Waren Anfang 2017 in Bern gerade einmal fünf Hersteller angemeldet, so sind es aktuell bereits 672. Die landschaftliche Anbaufläche von Hanf hat sich seit 2015 versechsfacht.
Auch Ostschweizer Unternehmen haben das Geschäft mit CBD entdeckt. Die Firma Medropharm baut im Thurgau auf 50 Hektaren legalen Hanf an. «Abnehmer sind vor allem Pharma- und Kosmetikfirmen», sagt Co-Geschäftsführer Patrick Widmer. «Daneben verkaufen wir aber auch Cannabis zum Rauchen.» 283 Kilogramm waren es im letzten Jahr. Ganz zur Freude des Bundes, schliesslich ist jedes Gramm relevant für den Fiskus. Die Steuereinnahmen auf Cannabis beliefen sich gemäss Bundesamts für Gesundheit im letzten Jahr auf 15,1 Millionen Franken. Vor drei Jahren lagen die Steuereinnahmen noch bei 400000 Franken.
Das Angebot ist breit: Anhand einer Internetrecherche konnte «Sucht Schweiz» 90 Websites identifizieren, die CBD Produkte anbieten. Wobei die rauchbaren Produkte – vorgerollte Joints, CBD-Zigaretten, Shishatabak – den grössten Teil ausmachen. CBD-Öl und Liquids für E-Zigaretten nehmen ebenfalls einen wichtigen Platz ein. Daneben gibt es eine Reihe von Lebensmitteln, die mit CBD angereichert sind. Und das fast pure CBD in Form von Kristallen wird auf gut einem Viertel der untersuchten Websites angeboten. Im Weiteren findet man CBD-haltige Lebensmittel und Kosmetika.
CBD-Hanf ist zwar legal, doch von aussen ist er nicht von Cannabis mit einem höheren THC-Gehalt zu unterscheiden. Was passiert, wenn eine Person mit CBD-Hanf von der Polizei angehalten wird? Einen zuverlässigen Schnelltest gibt es in der Schweiz bisher nicht. Die Polizei zieht CBD-Hanf deshalb ein und lässt ihn im Labor auf den THC-Gehalt testen. Bis das Ergebnis vorliegt, greift die selbe Praxis wie bei normalen Cannabis. Erwachsene bezahlen für 10 Gramm eine Ordnungsbusse von 100 Franken. Jugendliche müssen sich bei einer Sucht-Fachstelle und bei der Jugendanwaltschaft melden. Stellt sich heraus, dass es sich um CBD-Hanf handelt, wird das Bussgeld zurückerstattet beziehungsweise werden die Vorladungen abgesagt.