Einen Torpedo aus dem zweiten Weltkrieg haben Spezialisten kürzlich schon aus dem Bodensee geborgen. Doch was liegt sonst noch auf dem Grund des Sees? Darum ranken sich einige Gerüchte.
Es könnte ein edler Tropfen sein, der irgendwo auf dem Grund des Bodensees liegt. 1944 soll eine Junkers-Maschine der Deutschen Luftwaffe abgestürzt und im Bodensee versunken sein. An Bord: kistenweise feinster Cognac direkt aus Frankreich. Der Schnaps wäre heute über 70 Jahre alt und wohl ein Vermögen wert. Das Problem ist nur, dass niemand die Existenz des «Cognac-Bombers» beweisen kann. Genau so wenig ist belegt, dass auf dem Seegrund irgendwo ein deutscher Panzer aus dem Zweiten Weltkrieg liegt.
Auch Martin Wessels vom baden-württembergischen Institut für Seeforschung (ISF) meint, dass die Geschichte vom «Cognac-Bomber» eher ins Reich der Legenden gehört. «Es gibt immer wieder Gerüchte über Schätze und andere ungewöhnliche Funde im Bodensee. Der Seeboden ist aber sehr genau untersucht. Deshalb glaube ich nicht an die Existenz des ‘Cognac-Bombers’», sagt der Wissenschaftler.
Immer wieder finden Wessels und seine Kollegen vom ISF allerdings Munitionsrückstände im See. Am vergangenen Mittwoch haben Spezialisten des deutschen Kampfmittelbeseitigungsdienstes, der Schweizer Armee und der Wasserschutzpolizei einen Torpedo aus dem Zweiten Weltkrieg geborgen. «Vor allem vor Friedrichshafen stossen wir immer wieder auf Brandbomben.» Die deutsche Stadt als Standort der Dornier-Flugzeugwerke wurde während des Zweiten Weltkriegs heftig von den Alliierten bombardiert. Die Bombardements waren sogar in St. Gallen sicht- und spürbar. Die Bevölkerung strömte jeweils in Scharen auf den Freudenberg und schaute zum deutschen Ufer hinüber. «Mir schien dort drüben ein besonders lohnender Erstaugust gefeiert zu werden, Geräusche wie von Raketen und Knallfröschen. Manchmal bebte die Erde», schrieb der verstorbene St. Galler Journalist Niklaus Meienberg über seine Kindheitserinnerung. Relikte dieser Bombennächte im Zweiten Weltkrieg finden sich noch heute im Bodensee. Zudem kursiert hartnäckig das Gerücht, dass die Alliierten nach dem Zweiten Weltkrieg von der Wehrmacht erbeutete Munition im See wahllos versenkt haben. «Es kann sein, dass es eine oder zwei Stellen gibt, wo die Alliierten Munition im See entsorgt haben. Diese Orte sind uns aber nicht bekannt», sagt ISF-Wissenschaftler Wessels.
Auch in Schweizer Seen lagert Munition
Für Bevölkerung und Schifffahrt stellt die Munition auf dem Grund des Sees in den meisten Fällen keine Gefahr dar. Auch in der Schweiz hat die Armee im Thuner-, Urner- und Vierwaldstättersee bis in die 1960er-Jahre 8000 Tonnen Munition entsorgt. Das Verteidigungsdepartement verzichtet aus Sicherheitsgründen allerdings darauf, diese zu bergen. Weil Munition, die grosser Tiefe liegt, meist ungefährlich ist, sucht das ISF im Bodensee nicht systematisch danach. Stossen Wessels und seine Kollegen auf Munition im Flachwasser, entscheiden sie zusammen mit der Wasserschutzpolizei, ob die Fundstelle mit einem Tauchroboter genauer untersucht wird. Das ist beispielsweise beim geborgenen Torpedo so geschehen. Bei seiner Arbeit beschäftigen das ISF aber naturwissenschaftliche Fragestellungen: «Wir messen den Grund mit Sonar aus, weil wir wissen wollen, was im See passiert.», so Wessels.
Die Entdeckungen von Wracks oder Munition sind ein Nebeneffekt dieser Forschungen. Vielleicht taucht irgendwann auch der «Cognac-Bomber» einmal bei einer solchen Untersuchung auf – als angenehmer Nebeneffekt der Wissenschaft. Oder aber der «Cognac-Bomber» bleibt eine Legende des Bodensees.