Kafi und Beck
Es hat sich ausgeknuspert: Die Kreuzlinger Kult-Bäckerei schliesst zu Heiligabend für immer

Das Quartier Egelshofen verliert ihre Bäckerei Knusperhüsli. Wie es mit dem denkmalgeschützten Haus mit der ikonischen Hänsel und Gretel-Fassade weitergeht, ist offen. Eine langjährige Mitarbeiterin sagt: «Mir blutet das Herz, nach so langer Zeit hier wegzumüssen.»

Emil Keller
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Die Inhaber der Sonne-Beck AG Rahel, Markus und Manuela Wirth (von rechts) nehmen mit ihren Mitarbeitenden Abschied von der Filiale Knusperhüsli.

Die Inhaber der Sonne-Beck AG Rahel, Markus und Manuela Wirth (von rechts) nehmen mit ihren Mitarbeitenden Abschied von der Filiale Knusperhüsli.

Bild: Emil Keller

«So eine Bäckerei gibt es kein zweites Mal», erzählt die Stammgästin begeistert. Seitdem sie das «Knusperhüsli» bei einer Kreuzlinger Stadtführung entdeckt hat, kommt sie jeden Samstag aus dem deutschen Allensbach für ihren Kaffee samt Gebäck hinübergefahren.

Am 24. Dezember ist damit aber Schluss: die Sonne-Beck AG muss ihre Filiale mit der markanten Hänsel und Gretel-Fassade am Eingang zum ehemaligen Dorfkern Egelshofen räumen. Die Eigentümerin Astrid Höneisen hat sich dazu entschlossen, das vom Amt für Denkmalpflege als «wertvoll» eingestufte Haus zu verkaufen und im Zuge dessen die Mietverträge gekündigt.

«Es kam ein wenig überraschend, aber wir können den Entscheid nachvollziehen», erklärt Rahel Wirth, Verwaltungsratspräsidentin der Sonne-Beck AG. Das «Knusperhüsli» ist eine von acht Filialen, welche die in Frauenfeld ansässige Bäckerei im Thurgau unterhält. Das Unternehmen habe geprüft, das Haus selbst zu kaufen und die Filiale weiterzuführen. Doch eigene Liegenschaften zu unterhalten, würde nicht in die Strategie passen. «Schade sei es dennoch», bedauert Wirth den Wegzug.

«Das Knusperhüsli hat eine ganz eigene Seele.»

Dazu gehört das heimelige Kafi samt urigem Verkaufsbereich genauso wie die niedrigen Decken und Holzverkleidungen.

Das Gebäude ist gegen 300 Jahre alt

Gleichzeitig ist das Haus sanierungsbedürftig, was mit den Auflagen der Denkmalpflege nicht immer einfach zu vereinen sei. Keine Schindel an der Fassade dürfe fehlen und die historischen Fenster machen das Heizen schwierig. «Es ist natürlich nie einfach mit der Denkmalpflege», sagt die Eigentümerin Astrid Höneisen.

«Aber es ist eines der ältesten Gebäude in Kreuzlingen und deshalb sollte es schon erhalten bleiben.»

Zusammen mit ihrem Mann Kaspar Höneisen haben die beiden das Haus 1994 gekauft und die Bäckerei samt eigener Backstube aufgezogen. Ein Rechtsstreit mit der Gemeinde Kreuzlingen, damals bekannt als der «Gipfelikrieg», habe die beiden zum Wegzug bewogen und seit 16 Jahren führt die Sonne-Beck AG die Bäckerei weiter.

Nach dem Tod ihres Mannes in diesem Jahr verbinde Astrid Höneisen nichts mehr mit Kreuzlingen und so habe sie sich nun zum Verkauf entschlossen. Wie es mit dem ursprünglichen Bauernhaus «Morgensonne» weitergeht, hänge also vom Käufer ab. Dass das Haus abgerissen wird, könne sie sich bei dem Schutzstatus aber nicht vorstellen.

Der Treffpunkt nach dem Ausgang

Die langjährige Mitarbeiterin Carmen Hirsch und Sonne-Beck Verwaltungsratspräsidentin Rahel Wirth.

Die langjährige Mitarbeiterin Carmen Hirsch und Sonne-Beck Verwaltungsratspräsidentin Rahel Wirth.

Bild: Emil Keller

«Hier hat es vom Geburtstagsfest bis hin zu Schlägereien schon alles gegeben», plaudert Carmen Hirsch aus dem Nähkästchen. Seit fast 20 Jahren arbeitet die gelernte Bäckerin und Konditorin schon im Knusperhüsli und kennt die Stammgäste alle beim Namen.

Sie erinnert sich noch lebhaft an die Zeit, als frühmorgens die Gäste mit ihren Autos Schlange standen, um nach dem Ausgang über das Fenster hinaus frische Sandwiches zu kaufen. Carmen Hirsch sagt:

«Natürlich blutet mir das Herz nach so langer Zeit hier wegzumüssen. Einen solchen Ort findet man nicht noch einmal.»

Sie bleibt Kreuzlingen aber nur einige Meter weiter im «Bistro Binggis» beim Bildungszentrum für Bau und Mode erhalten. Seit Herbst betreibt die Sonne-Beck AG dort eine Art Kantine. «Es sieht gut aus, dass wir auch im nächsten Jahr dort weitermachen können», sagt VR-Präsidentin Wirth. Dann aber nur von Montag bis Freitag zu Schulzeiten.

Der Samstag, 24. Dezember, wird also die letzte Gelegenheit sein, sich frühmorgens mit Gipfli und Zopf fürs Wochenende einzudecken - auch für die Stammgästin aus Allensbach.