Die Elektrifizierung der Hochrheinstrecke wurde bisher nie verwirklicht. Im neuen Jahr sollen nun die Planungen beginnen. Eine Realisierung würde auch für die Ostschweiz interessante Möglichkeiten eröffnen.
Sebastian Keller
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Der rote IRE 3042 der Deutschen Bahn (DB) fährt los. Er knattert und brummt, als er den Bahnhof Schaffhausen verlässt. «Es ist viel zu laut hier», sagt eine Frau zu ihrem Begleiter. Verschluckte nicht die Motorengeräusche ihre Stimme, man hörte sie schreien. Bald nach der Grenze, Halt in Erzingen. Ab hier versperren keine Masten die Sicht auf die Landschaft. Die Strecke am Hochrhein ist auf 75 Kilometern bis zum Badischen Bahnhof in Basel nicht elektrifiziert. Nur dieselbetriebene Züge kommen hier vorwärts.
Das soll sich nun ändern. Sollte sich schon längst ändern. Die Elektrifizierung ist nötig, damit die Züge nicht mehr lärmen, damit sie nicht mehr aufgetankt werden müssen und auf der Strecke auch grenzüberschreitende Züge fahren könnten. Bei letzterem dürfte auch die Ostschweiz hellhörig werden. Eine elektrifizierte Strecke wäre eine Voraussetzung, damit beispielsweise der heutige Regionalexpress von St.Gallen nach Konstanz über Singen und Schaffhausen bis nach Basel SBB verlängert werden könnte. Oder für eine Direktverbindung von Weinfelden über Konstanz bis nach Basel. Es ergäbe sich eine Alternative zum Weg über Zürich. Das sind heute alles noch leise Klänge der Zukunftsmusik.
Haltestelle Tiengen. Die DB hat sich von hier fast gänzlich zurückgezogen, Pflanzen haben sich auf dem Schotter breitgemacht. Ein Steingarten mit Schienen. Im Bahnhofsgebäude formt der Wirt der «Essbahn» Pizzateig, gegenüber haben die Stadtwerke ihr Büro. Frage an eine Mitarbeiterin: Ist eine baldige Elektrifizierung der Strecke denkbar? «Wir bekommen hier draussen nichts mit.» Es klingt so, als ob hier im tiefsten Süddeutschland Berlin noch weiter weg ist als Bern für die Ostschweiz. Im Jahr 2016 kam aber Bewegung in die Sache. Am 7. März verkündete der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann: «Wir alle – auf der deutschen und der Schweizer Seite – wollen die Hochrheinbahn elektrifiziert sehen und sind diesem Ziel wieder einen Schritt näher gekommen.» Der grüne Politiker sagte dies nach der Unterzeichnung einer Absichtserklärung. Neben verschiedenen deutschen Stellen hat die offizielle Schweiz sowie die Kantone Basel-Stadt und Schaffhausen die Erklärung unterschrieben. Es geht vor allem darum, wie 160 Millionen Euro für die Elektrifizierung aufgetrieben werden sollen. Die Beteiligten hoffen, dass sich auch Berlin beteiligt – mit bis zu 60 Prozent. Hoffnung schöpfen sie aus dem sogenannten Gemeindeverkehrsfinanzierungsprogramm, das über das Jahr 2019 hinaus verlängert werden soll. «Dies setzt allerdings voraus, dass die Absprache zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel und den Ministerpräsidenten vom 24. September 2015 umgesetzt wird», sagt Edgar Neumann, Sprecher des baden-württembergischen Verkehrsministers. «Dies ist bislang nicht erfolgt.» Dennoch sollen die Planungen im neuen Jahr beginnen.
Optimisten rechnen mit einer möglichen Inbetriebnahme um das Jahr 2025. Wegen der Feiertage wollte sich niemand zum genauen Fahrplan äussern. Ein DB-Sprecher bestätigt nur, dass das Thema auch für sie aktuell sei. Die Europäische Union hat im September in Aussicht gestellt, fünf Millionen Euro beizusteuern. Ob sich die Schweiz beteiligt, wird sich wohl 2019 zeigen, wenn die Parlamentarier über den Bahnausbau-Schritt 2030/2035 beraten. Nach jetzigem Kenntnisstand geht es wohl um 30 Millionen Euro. Das letzte Wort hätte bei einem Referendum das Volk.
Auf dem Bahnsteig 1 in Waldshut steht ein pensionierter Gewerkschafter. Den Ankündigungen aus Stuttgart traut er nicht. Auf die Elektrifizierung angesprochen, rückt er seinen schwarzen Hut zurecht. «Eine Katastrophe», sagt er. Die DB liebäugle eher mit einem Gang an die Börse als in der Peripherie eine Strecke zu modernisieren. «Doch es wäre dringend nötig», sagt er und deutet auf einen brummenden Zug auf Gleis vier. «Es würde die Anwohner vom Lärm entlasten.»
An Interessenten, auf einer elektrifizierten Hochrheinstrecke zu fahren, dürfte es nicht mangeln. «Aus jetziger Sicht schliesse ich unser Interesse nicht aus», sagt Patrick Altenburger, Geschäftsführer der SBB GmbH, einer deutschen Tochtergesellschaft der SBB. Es wäre eine sinnvolle Verknüpfung der Betriebsstandorte Konstanz und Lörrach.
Weiter geht die Reise dem rechten Rheinufer entlang. Über Bad Säckingen, Schwörstadt und Grenzach – der Zug hält längst nicht mehr überall. Im Badischen Bahnhof von Basel endet die Fahrt mit dem knatternden und brummenden Zug. 15