Auf der roten Liste Deutschlands: Der Ostschweizer Tourismus setzt auf einheimische Besucher

Wer sich über einen Tag lang in der Schweiz aufhält, muss in Deutschland in Quarantäne. Die am Donnerstag ausgesprochene Reisewarnung schreckt viele deutsche Touristen ab, in die Schweiz zu kommen. Der Ostschweizer Tourismus ist gewappnet – und froh, dass es nicht den Sommer trifft.

Saskia Ellinger und Elias Hostettler
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Wer sich länger als 24 Stunden in der Schweiz aufhält, muss in Deutschland in Quarantäne.

Wer sich länger als 24 Stunden in der Schweiz aufhält, muss in Deutschland in Quarantäne.

Bild: Gian Ehrenzeller / Keystone

Die Schweiz ist von Deutschland zum Risikogebiet erklärt worden. Wer sich länger als 24 Stunden in der Schweiz aufgehalten hat, muss seit Samstag 14 Tage in Quarantäne. Einzige Ausnahme: Der Vorweis eines negativen Covid-Tests, der nicht älter als 48 Stunden ist. Doch diese Ausnahme gilt nicht in allen Bundesländern Deutschlands.

Damit ist die Quarantäneregelung Deutschlands ein herber Schlag für den Ostschweizer Tourismus: Die Deutschen machen in fast allen Regionen der Ostschweiz den grössten Anteil der ausländischen Gäste aus. Doch aus Unsicherheit und Angst vor Quarantäne werden deutsche Touristen die Schweiz momentan wohl weitgehend meiden.

Hochsaison vielerorts vorbei

«Wir sind einfach froh, trifft es nicht die Hochsaison», sagt Rolf Müller, Geschäftsführer von Thurgau Tourismus. Normalerweise sind knapp 20 Prozent der Touristen im Thurgau Deutsche, deren Aktivität sich ausserhalb des Sommers vorrangig auf Geschäftsreisen beschränke. In einem normalen November sind dies rund 1800 Logiernächte. Wegen der aktuellen Umstände wären es höchstwahrscheinlich weniger gewesen, trotzdem löse der Entscheid des nördlichen Nachbarn grosse Bedenken aus. Müller sagt:

«Das Leben am internationalen See wird damit eingeschränkt.»

Rund 30 Prozent beträgt der Anteil deutscher Übernachtungsgäste in der Region St. Gallen-Bodensee. In Deutschland als Risikogebiet zu gelten, sei auch in der Wintersaison schmerzhaft, seit Donnerstag sei es bereits zu mehreren Stornierungen gekommen, beispielsweise bei Stadtführungen, sagt Tobias Treichler, Vizedirektor von St.Gallen-Bodensee Tourismus.

Zwar seien diese nicht nur auf den deutschen Entscheid zurückzuführen. Sollte diese Einstufung bis im Frühling anhalten, werde es problematisch. «Wir hoffen, dass sich die Lage bis dahin beruhigt», sagt Treichler. Bis jetzt sei man da auf einem guten Weg, Maskenpflicht und Abstandsregeln erwiesen sich als gut umsetzbar. Auf der anderen Seite setzten restriktive Verordnungen dem Gastro- und Hotelleriegewerbe stark zu. «Es gilt, eine gute Mitte zu finden», sagt Treichler.

Im Appenzellerland nimmt man die Nachricht aus Deutschland gelassen entgegen. Der Tagestourismus sei noch möglich, bei den Logiernächten mache der Anteil der Deutschen in Ausserrhoden aber nur wenig mehr als zehn Prozent aus, sagt Andreas Frey von der Ausserrhoder Tourismusorganisation. «Der Entscheid ist keine weltbewegende Neuigkeit», sagt er. Auch Guido Buob vom Tourismus Appenzell Innerrhoden nimmt es locker. Der Geschäftsführer sagt:

«Unsere Gäste sind normalerweise zu 85 Prozent Schweizer. Dieses Jahr sind es sogar 100 Prozent. Trotzdem haben wir ein gutes Jahr.»

Ausserdem mache der Winter nur knapp 20 Prozent des Jahresgeschäfts aus.

Skigebiete setzten auf Inländer

Die Auswirkungen der Risikoeinstufung Deutschlands hängen ganz von der jeweiligen Ausrichtung der Urlaubsdestinationen ab. Laut Jürg Schustereit von den Bergbahnen Wildhaus ist das Toggenburg mit seinen Skigebieten weniger abhängig von deutschen Touristen. «Der Anteil deutscher Gäste liegt grob geschätzt bei fünf bis zehn Prozent.»

Fast 90 Prozent sind Schweizer. Mit diesen rechnet Schustereit weiterhin:

«Schon im Sommer hat sich eine grosse inländische Nachfrage gezeigt. Damit rechnen wir auch in der Wintersaison.»

Fraglich seien die Auswirkungen auf den Tagestourismus. Für mehr Sicherheit bei Gästen und Gastgebern könnte die Einführung von Schnelltests an der Grenze sorgen. Wann das der Fall sein werde, sei momentan aber nicht abschätzbar.

Bei vielen Reisenden lösten die Massnahmen Unsicherheiten aus, auf welche die Tourismusgebiete reagieren:

«Gäste werden bei den Stornierungen immer anspruchsvoller. Viele achten auf Angebote, bei denen sie zwei bis drei Tage vorher ohne Begründung stornieren können.»

Deshalb ist es aktuell laut Schustereit eine zentrale Frage, ob ein vernünftiger, sicherer und wirtschaftlicher Winter dieses Jahr überhaupt noch möglich ist.

Die Risikoeinschätzung Deutschlands sei für das Toggenburg hier nur ein Mosaikstein in der Vielzahl von Massnahmen, meint er. In Zeiten von Homeoffice und Social Distancing würde der Drang und die Lust nach Bewegung jedoch früher oder später zurückkehren, weshalb Schustereit optimistisch in die Zukunft blickt.