Wenn an Pfingsten die Glocken schweigen

WIGOLTINGEN. Jede Gemeinde hat Traditionen, die in ihren Gemarkungen einzigartig sind. So auch Wigoltingen, wie das Ehepaar Lukas und Ursula Preiswerk weiss.

Christof Lampart
Drucken

Vor rund 50 Zuhörerinnen und Zuhörern im Café Chürzi führten Preiswerks anhand des Jahresablaufs durch die alten Traditionen und jüngeren Gebräuche. Das 889 erstmals urkundlich erwähnte und heute rund 2000 Einwohner zählende Wigoltingen habe, so Ursula Preiswerk, eine ganze Reihe an lebendigen Bräuchen und Traditionen. Dies, obwohl Wigoltingen weder eine Grossstadt noch eine Feriendestination, ja nicht einmal eine Neubausiedlung sei.

Viele wiederkehrende Ereignisse wie die diversen Umzüge, Quartierfeste, Unterhaltungsabende oder Vereinsempfänge seien aber modernerer Natur. In anderen Gemeinden der Umgebung sei dies in leichten Abänderungen genauso vorhanden.

Einzigartiger Brauch

Jedoch habe Wigoltingen einen Brauch, der in der christlichen Welt einzigartig sein dürfte: nach dem Pfingstgottesdienst wird nicht ausgeläutet. Das Schweigen der Glocken rührt vom «Wigoltinger Handel» her. Eine Anna Ilg beobachtete an Pfingsten 1664, wie katholische Söldner in Lipperswil vor der Kirche lärmten und mit ihren Degen fuchtelten. Ilg dachte, dass die Lipperswiler alle getötet würden. Sie eilte nach Wigoltingen, alarmierte die dort im Pfingstgottesdienst Weilenden, welche alles stehen und liegen liessen. Die Gottesdienstbesucher überfielen die nichts ahnenden, mittlerweile weiter gezogenen Söldner und töteten sechs von ihnen.

Zwei Hinrichtungen

Anschliessend stellte sich heraus, dass die Söldner in Wigoltingen nur gelärmt, niemandem jedoch ein Haar gekrümmt hatten. Darauf hin kam es zwischen den katholischen und reformierten Orten der Eidgenossenschaft zu einem schweren Streit, der schliesslich mit der Hinrichtung zweier Wigoltinger und einer Busse von 15000 Gulden für das Kirchspiel Wigoltingen endete. Eine Summe, welche erst nach 36 Jahren abbezahlt war.

Schiessen für Wigoltingerin

Weitere Ereignisse im Jahresablauf Wigoltingen sind, unter anderem, die Bauernfasnacht, das Engwanger Bechteliskegeln (früher nur ein Fest der Milchlieferanten), das Tannensetzen für die neuen Behördenmitglieder oder der wohl älteste «freiwillige» Brauch: das Hochzeitsschiessen, welches schon im Jahr 1794 dokumentiert ist. Damals, so Lukas Preiswerk, habe man aus dem ersten Stock einer Wirtschaft im Osten des Dorfes geschossen. Und warum «Hochzeitsschiessen»? «Wer als Auswärtiger eine Wigoltingerin heiraten wollte, musste daran teilnehmen.»