Stummer Abend mit ganz viel Lärm

ARBON. Bei der Premiere des Films «Die Weber» in den 1920er-Jahren stürmten die Leute die Kinokassen und zerlegten danach das Interieur. Davon war das «Triebwerk» am Freitag zwar weit entfernt, doch der Film beeindruckt auch heute noch.

Christof Lampart
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Bei der Führung durch das Saurer Museum und beim anschliessenden Stummfilm bekamen die Besucher die Webergeschichte vermittelt. (Bild: Christof Lampart)

Bei der Führung durch das Saurer Museum und beim anschliessenden Stummfilm bekamen die Besucher die Webergeschichte vermittelt. (Bild: Christof Lampart)

Manchmal ist ein Schweigen beredter als ein ausufernder Vortrag. Vor allem, wenn es von einem Film ausgeht, der sich mit revolutionärem Pathos umgibt. Protestierende Massen, hassverzerrte Gesichter in Nahaufnahme und ausgemergelte Gestalten – «Die Weber» des deutschen Regisseurs Friedrich Zelnik nach dem gleichnamigen Theaterstück von Gerhart Hauptmann entfesselte damals in der Weimarer Republik eine dermassen grosse Sprengkraft, dass die Zuschauer nicht nur Kinosäle verwüsteten, sondern auch die Zensur einschritt und die heissesten Szenen und Zwischentitel eliminierte. Diese Szenen waren nun fast vollständig in der restaurierten Fassung zu sehen, welche der Musiker und Klangwerker Markus Dürrenberger am Freitag im «Triebwerk» in Arbon zeigte. Kurzum, der Film war wie geschaffen für den «Weber-Abend», der im Dialog mit dem Saurer Museum gezeigt wurde. Zuerst gab es einen Rundgang durch die lokale Webereigeschichte, danach ein knapp zwei Stunden dauerndes Stummfilmkino-Konzert.

Ein ruinöser Preiskampf

Lediglich etwas mehr als ein Dutzend Personen waren es, die den Ausführungen der Mitarbeiter des Saurer Museums folgten. Die Mitarbeiter – selbst schon ergraute Herren – schafften es, die Magie der Webkunst nachvollziehbar werden zu lassen. 160 Jahre lang wurden hier Stickereimaschinen und 70 Jahre lang Webmaschinen produziert. Noch Anfang der 1980er-Jahre bestellte eine Firma 400 Webmaschinen für 56 Millionen Franken. «Insgesamt wurden hier 100 000 Webmaschinen hergestellt. Doch am Ende reichte es nicht mehr, denn der Preiskampf, den wir uns mit Sulzer lieferten, war ruinös – für beide. Wir schlossen 1986 definitiv, Sulzer drei Jahre später», erklärt Hans Stacher vom Saurer Museum. Der Besucher kommt nicht aus dem Staunen heraus, wenn er mitansehen darf, mit welcher Raffinesse die Maschinen zu Werke gingen, die Anfang des 20. Jahrhunderts Tausende in Hungerlohn und Brot hielten.

Erschütternde Bilder

Gerade deshalb wäre der vorgängige Besuch des Saurer Museums – die Besucher wurden übrigens stilgerecht mit einem Saurer-Postauto aus dem Jahr 1948 zwischen Triebwerk und Museum hin und her transportiert – so wichtig gewesen. Denn diese Abhängigkeit einer ganzen Branche vom Wohlwollen eines Patrons wird durch die emotionalen Filmbilder noch einmal gesteigert. Wenn die Kamera lange auf einem verhärmten Gesicht verweilt, wenn die Wutausbrüche auf den Untertiteltafeln dahingekrakelt waren und die Musik wie ein Gewitter über die gut 40 Filmbesucher herniederging, dann wirkte das Erlebte an diesem Abend erschütternd.

Den Film 30mal gesehen

Auch Dürrenberger, der Stummfilmmusiker, war davon angetan, wie das Publikum auf sein Konzert reagierte. Ein Konzert, aus dem zwar Zitate aus Bach-Fugen herauszuhören waren, das nichtsdestotrotz aber vor allem eine Eigenkomposition war. «Ich habe mir den Film sicherlich 30mal komplett angeschaut und mir dieses und jenes überlegt», sagt der Komponist. «Da der Film noch eine ganz andere Bildästhetik hat als die modernen und schnelleren Filme, musste ich ganz anders bei der Vertonung vorgehen.»