1917 begann Wagnermeister Karl Aepli mit dem Mosten. Mittlerweile führt Enkel Karl den Betrieb in dritter Generation. Und die Tradition geht weiter.
Manuel Nagel
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Der Gravensteinersaft sprudelt aus dem Abfluss der grossen Presse. Karl Aepli hält einen Zylinder darunter und nimmt eine Probe, um den Zuckergehalt zu bestimmen. «Mmmh … Probier mal! Zuckersüss», meint er zufrieden nach einem kleinen Schluck. Dieses Jahr sei die Ernte wegen des Frostes nicht so reichhaltig ausgefallen, sagt Aepli. Doch wegen der vielen Sonnentage lägen die Öchslegrade nicht wie üblich bei 50 sondern bei 55.
Bereits vor 59 Jahren war es ein ausserordentlicher Herbst. 1958 war bezüglich der Obstmenge ein Rekordjahr. «Von Anfang August bis Weihnachten wurde gemostet», erzählt Aepli. Damals wurde noch kein Konzentrat eingelagert. Deshalb seien sogar Feuerwehrweiher mit Most gefüllt worden. Es war zugleich auch das Jahr, in dem er geboren wurde. Karls Vater – auch der hiess schon Karl, wie bereits dessen Vater zuvor – hatte viel zu tun.
Begonnen hatte alles mit einer einfachen Spindelpresse, die der gelernte Wagnermeister Karl Aepli 1917 im Hauskeller installiert hatte. Zwanzig Jahre lang tat diese gute Dienste, bis er in eine erste einfache Packpresse investierte. 1945 war ein wichtiges Jahr für die Kundenmosterei Aepli. Grossvater Karl kaufte unmittelbar nach Kriegsende eine Doppelbettpackpresse der Firma Bucher Guyer. Er hätte sich damals wohl kaum träumen lassen, dass 72 Jahre später sein Enkel Karl noch immer dieselbe Presse benutzt – und mit Urenkelin Silvia arbeitet bereits die vierte Generation im Betrieb an der Presse.
Die beiden sind ein eingespieltes Team – und das schon früh morgens um halb sechs. Während die Äpfel durch die interne Waschanlage befördert werden, bereitet Tochter Silvia die Presse vor. Rund 800 Kilogramm Obst werden die zwei an diesem Morgen verarbeiten. Zwei Pressdurchgänge sind nötig, und der geeichte Zähler zeigt am Ende etwas mehr als 600 Liter Apfelsaft an, der durch die Leitung geflossen ist und dort nochmals gefiltert wurde, bevor er in eine grosse Saftstande fliesst.
Doch Aeplis verarbeiten bereits Mengen ab 100 Kilogramm. «Wir haben viele Kleinkunden, die ihren eigenen Most haben wollen», sagt Karl Aepli. Stolz ist er auch auf den Silo im Boden, in den Grosskunden ihr Obst direkt vom Wagen reinkippen können. Aepli hat das alles selbst geplant, um Abläufe zu optimieren. Aber weshalb mostet er nicht mit einer moderneren und weniger arbeitsintensiven Presse? «Mit dieser gibt es weniger Trub im Saft», ist Aeplis Erklärung. Deshalb werde sie immer noch gebraucht. Etwa drei gebe es im Thurgau, nur noch ein gutes Dutzend in der Schweiz. Es werde deshalb auch immer schwieriger, an Ersatzteile heranzukommen.
Mutter Cornelia macht das Familienbusiness perfekt. Sie füllt den Saft aus der Stande direkt in grosse Glasflaschen ab. «Die liefere ich nachher gleich noch ins Schloss Hagenwil», sagt Karl Aepli. Das sei der Grund, weshalb er so früh mit der Arbeit beginne. Er wolle den Saft möglichst frisch an die Kunden ausliefern. Wenn er also nicht gerade beim Mosten ist, dann ist Karl Aepli meist auf Achse und beliefert mit seinem Getränkehandel Restaurants, Partys oder Privatkunden. Apropos Achse: Vater Karl führte noch bis 1965 die Wagnerei von Grossvater Karl – dieser verstarb 1950 – fort. Dann konzentrierte er sich aber auf das Flüssige und gründete den Getränkehandel Aepli.
Als sein Vater im August 1980 starb, war Karl Aepli 22 Jahre alt und hatte gerade die Rekrutenschule absolviert. Schon in jungen Jahren lastete eine grosse Verantwortung auf Karl Aepli, der in der dritten Generation das Geschäft weiterführen wollte – und fünf Jahre später auch eine grosse Investition tätigte. Er liess einen Teil des Gebäudes unterkellern und baute es neu auf. In den frühen 90er-Jahren hatte Aepli die Möglichkeit, direkt neben seinem Grundstück weiteres Land zu erwerben. Er baute weitere Keller- und Lagerräume sowie eine Garage samt Pasteurisierungsanlage.
In einem dieser Kellerräume stehen etwa 20 Lagerholzfässer jeder Grösse. Auffallend sind jedoch drei prächtige, mit Schnitzereien geschmückte Fässer, die bis unter die Decke des Gärsaftkellers reichen. Sie haben ein Fassungsvermögen von über 3000 Liter und werden nur einmal im Jahr gefüllt. Karl Aepli hat sie seinen Kindern gewidmet. Zur Geburt von Tochter Silvia im Jahre 1990 bestellte er beim Küfer Thurnheer in Berneck das erste Fass. Mit den Söhnen Lukas (1991) und David (1993) kamen zwei weitere hinzu.
Karl brach zwar mit der Tradition, den ältesten Sohn ebenfalls Karl zu nennen, doch die Familientradition wird von Tochter Silvia weitergeführt. Seit diesem Jahr arbeitet sie im elterlichen Betrieb mit und ist der Garant, dass die Kundenmosterei Aepli nicht einst nach ihrem Vater Karl enden wird. Die 27-Jährige führt quasi den Familienbetrieb ins zweite Jahrhundert seines Bestehens.