Er ist der wohl bekannteste Alpinist unserer Zeit: Reinhold Messner. Bei einem Auftritt in Amriswil erzählte der Südtiroler, wie ein Himmelsbegräbnis vor sich geht, und sprach über Angst sowie seinen Weinberg.
Manuel Nagel
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Ruhig spricht er. Selbst über den Tod seiner Brüder. Der eine starb an den Folgen eines Blitzschlages in den Südtiroler Bergen, der andere mit ihm auf einer Expedition im Himalaja am Nanga Parbat.
Es ist eindrücklich, wie Reinhold Messner Bilder zeigt, wie er 2005 die sterblichen Überreste von Günther Messner besichtigt, 35 Jahre nach dessen Tod. Auf der grossen Leinwand im Pentorama zeigt der Extrembergsteiger auf einem Foto, wo sein Bruder von der Lawine erfasst und verschüttet wurde, und bis wohin er dann vom Gletscher transportiert wurde, bis das Schmelzen des Eises schliesslich den Leichnam freigab. «Die Schuhe waren Sonderanfertigungen für uns», erzählt Reinhold Messner. Deshalb war es für ihn sofort klar, dass es sich dabei um seinen Bruder handelt.
Der Tod ist ein ständiger Begleiter in Messners Leben, das wird an diesem Abend mehrmals ersichtlich. Doch bei der Erklärung, weshalb er sich immer wieder in Todesgefahr begeben habe, da stösst auch einer an die Grenzen, für den es scheinbar keine Grenzen gegeben hat in seinem bisherigen Leben.
Es sei schizophren und für einen Laien eigentlich nicht zu erklären, sagt Messner: «Wir gehen freiwillig dorthin, wo wir umkommen könnten, um nicht umzukommen.» Und wenn man dann zurückkomme aus dieser Gefahr, dann sei das so etwas wie eine Wiedergeburt, beschreibt der Südtiroler das Gefühl.
Auch über das Gefühl der Angst spricht Messner offen an diesem Abend. Die besten Alpinisten der Welt hätten Angst, verrät der mittlerweile 72-Jährige. Angst sei wie eine Barriere, die sage: Halt, hier geht’s nicht weiter, ohne dass du in Gefahr gerätst. Doch bei aller Ernsthaftigkeit und der fast schon stoisch ruhigen Art Messners lässt dieser hin und wieder seinen Schalk aufblitzen. So etwa, als er erzählt, wie er sich nach der Phase als Extrembergsteiger neu orientiert hatte. Irgendwann seien ihm in den Bergen die Ziele ausgegangen. «Deshalb bin ich umgestiegen auf die horizontalen Abenteuer» – doch er schiebt gleich ein «Bitte nicht falsch verstehen» hinterher.
Messners Art fasziniert viele Besucher seiner Multimediashow «ÜberLeben». So auch Petra Flamm aus Konstanz. Sie erlebt Messner zum ersten Mal live und lässt sich in der Pause ein Buch signieren. «Er wirkt auf mich sehr bodenständig», meint sie zum Himmelsstürmer. Besonders imponiert ihr, dass Messner im Himalaja mehrere Schulhäuser bauen liess und sich bei den moslemischen Dorfältesten auch dafür stark machte, dass nicht nur Jungen, sondern auch Mädchen die Schule besuchen dürfen.
Für die meisten der 600 Besucher dürfte auch die Schilderung eines Himmelsbegräbnisses neu und etwas makaber gewesen sein. Aufgrund des harten Bodens oder knapper Ressourcen wie Holz sei im Hochgebirge eine Erd- oder Feuerbestattung nicht praktikabel. Messner schildert, wie er einem solchen Himmelsbegräbnis beiwohnen durfte. Der Leichnam sei von einem Mönch seziert worden, und etwa 50 Geier hätten innert Minuten den Körper bis auf das Skelett verspiesen. Danach seien auch noch die Knochen und das Gehirn zu einem Brei zermalmt worden, und auch das hätten die Tiere innert Kürze verputzt, so dass die Steine blitzblank gewesen wären.
«So ein Begräbnis könnte ich mir auch für mich vorstellen», sagt Messner, der viel Persönliches verrät. So sei etwa der eigene Weinberg unterhalb seiner Wohnburg in Südtirol «emotional viel wertvoller als irgendwelche Papiere auf der Bank».