Nur ein Tropfen auf heissem Stein

AMRISWIL. Die Heilsarmee unterhält in Amriswil ein Sozialstudio, das als Notunterkunft genutzt wird. Das von Spenden finanzierte Projekt vermag den Bedarf an Unterkünften aber nicht zu decken. Mehr ist trotzdem nicht möglich.

Gunhild Rübekeil
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Karg, aber zweckmässig eingerichtet ist die Notschlafstelle, die Heilsarmeeoffizier Stephan Knecht zeigt. (Bild: Gunhild Rübekeil)

Karg, aber zweckmässig eingerichtet ist die Notschlafstelle, die Heilsarmeeoffizier Stephan Knecht zeigt. (Bild: Gunhild Rübekeil)

«Eine Notschlafstelle einzurichten, lag mir seit meinem Dienstantritt in Amriswil am Herzen», erklärt Stephan Knecht. 2006 hat er die Gemeinde im Oberthurgau übernommen, seit 2007 existiert die Auffangstelle in der Säntisstrasse: ein Raum, in dem eine Familie mit Kind Platz findet, eine Küche sowie eine Dusche mit WC. «Hier ist jeder willkommen», bekräftigt der 40jährige Offizier der Heilsarmee. «Wir schauen nicht auf Herkunft oder Religion.» Einzig Roma weise er ab, da der Ansturm sonst nicht in den Griff zu bekommen sei, ist Knecht überzeugt.

Auch psychisch kranken Menschen steht die Tür offen. So erinnert sich der Seelsorger an eine Frau, die zu Hause randaliert hatte und von der Polizei gebracht wurde. Im Sozialstudio tobte sie weiter. «So etwas habe ich noch nicht erlebt», gesteht Knecht, dem zeitweise auch um seine kleinen Töchter bange wurde. «Ich musste die Polizei zur Hilfe holen.» Die Beamten schafften es schliesslich, die Situation zu entschärfen.

Einzige Anlaufstelle

Dass der Bedarf an Notschlafstellen vorhanden ist, erlebt der Seelsorger regelmässig. «Wir sind weit und breit die einzige Anlaufstelle, zudem gibt es im gesamten Thurgau kein Frauenhaus», erklärt Knecht. «2011 hatten wir 300 Übernachtungen, viele Anfragen mussten wir abweisen.» Zwei Monate lang war eine Kleinfamilie in der Säntisstrasse untergekommen, die überraschend ihre Wohnung verloren hatte.

Angst, dass sich die Gäste allzu heimisch fühlen und gar nicht mehr ausziehen wollen, hat Knecht nicht. «Schauen Sie sich um», sagt er und deutet in den karg möblierten Kellerraum, «wer es sich leisten kann, ist ganz schnell wieder weg von hier.»

Normalerweise im Zelt

Kommt ein Wohnungsloser auf Vermittlung vom Sozialamt in die Notschlafstelle, übernimmt die Gemeinde einen Teil der Kosten. Auf 20 Franken pro Nacht schätzt der Seelsorger den finanziellen Aufwand. Viele Hilfesuchende können jedoch keine Unterstützung durch Ämter vorweisen. «Wir haben beispielsweise einen Mann aufgenommen, der normalerweise im Zelt lebt und dem es im Winter draussen zu kalt wurde», berichtet Knecht. In solchen Fällen bittet er die Bewohner zwar um einen Obolus, wer nichts hat, darf aber dennoch bleiben.

Bei Bedarf bietet Knecht auch seelsorgerliche Betreuung an. Gerade auf Bewohner mit psychischen Problemen versucht er ein Auge zu haben. «Häufig sind die Menschen nicht in der Lage, sich selbst zu versorgen, und sind völlig hilflos. Es gab schon Fälle, wo wir für unsere Untermieter das Essen kochen mussten.» Stephan Knecht respektiert aber auch, wenn seine Untermieter keinen Kontakt suchen.

Pläne liegen auf Eis

Gerne würde der 40-Jährige die Notschlafstellen in Amriswil erweitern. Auf vier bis sechs Räume schätzt er den Bedarf und verweist auf Winterthur mit zwölf Betten, die ständig belegt sind. Konkrete Planungen liegen dennoch vorerst auf Eis. «Bei dieser Grösse bräuchten wir eine festangestellte Person, es sind aber zu wenig Plätze, um deren Bezahlung garantieren zu können.»

Auch die Gemeinde wäre nicht abgeneigt, mehr Spielraum in Notfällen zu haben, sieht jedoch dieselben Probleme. «Das Thema ist aber noch nicht vom Tisch», erklärt Knecht.

Durch Spenden finanziert

Finanziert wird die Notschlafstelle über Spendengelder. Das ist nicht immer ganz einfach. In den vergangenen Jahren haben aber verschiedene Sammlungen geholfen, das Projekt finanziell zu tragen.

Umso enttäuschter ist er, dass die vorweihnachtliche Topfkollekte aufgrund des Dauerregens im Dezember äusserst mager ausgefallen war. «Von dieser Sammlung gehen hundert Prozent in unsere lokalen Projekte. Jetzt hoffe ich, dass wir auf anderem Weg zu Spenden kommen werden.»