Mitbringen erwünscht

Esswaren in eine Bar mitzubringen, ist bei uns nicht üblich. Im besten Fall erntet man merkwürdige Blicke, im schlimmsten Fall weist einen das Personal zurecht. In New York dagegen ist es völlig normal, Essen in Bars mitzunehmen.

Philipp Bürkler
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Esswaren in eine Bar mitzubringen, ist bei uns nicht üblich. Im besten Fall erntet man merkwürdige Blicke, im schlimmsten Fall weist einen das Personal zurecht. In New York dagegen ist es völlig normal, Essen in Bars mitzunehmen. Wer sich beispielsweise mit Freunden in einer Bar zum Bier verabredet und plötzlich von einem Hungergefühl geplagt wird, geht kurz über die Strasse und holt sich eine Pizza oder einen Burger. Gegessen wird dann in der Bar. Nicht selten empfiehlt einem der Barkeeper sogar ein gutes Take-away-Restaurant in der Nähe. Notabene sogar in Bars, die selber Speisen im Angebot haben. Das ist ein wirklich grosszügiger und unkomplizierter Service.

Vorteilhaft ist diese Mitbringkultur auch bei Getränken. Restaurants, die keine Lizenz für den Verkauf von Alkohol oder keine Lust auf Alkoholverkauf haben, fordern ihre Besucher sogar auf, den Alkohol selbst mitzubringen. «BYOB» nennt sich diese Eigenart, die in Amerika seit den Fünfzigerjahren bekannt ist. «Bring Your Own Booze», also bring deinen eigenen Alkohol. Die Gäste sollen schliesslich nicht auf dem trockenen sitzen müssen.

Gläser für die alkoholischen Getränke werden vom Restaurant freundlicherweise zur Verfügung gestellt. Wer Bier mitbringt, darf selbstverständlich den Kühlschrank benutzen. In manchen Restaurants schenkt einem der Kellner sogar den eigenen Wein nach. Und die leeren Flaschen? Ja, die entsorgt das Restaurant gleich auch noch. Eine rundum kundenfreundliche Sache, da kann man sich nicht beklagen. In einer bis ins letzte durchökonomisierten Welt, in der nichts mehr gratis zu haben ist, jeder seine Dollars und Franken von anderen abzuknöpfen versucht, ist diese Form von Gastrokultur irgendwie sympathisch.

Der aus der Region Amriswil stammende Journalist lebt derzeit in New York. In einer alle zwei Wochen erscheinenden Kolumne berichtet er über die kulturellen und gesellschaftlichen Unterschiede seiner alten und seiner neuen Heimat.