KREUZLINGEN: Es war nicht der Biber

Was auf den ersten Blick aussieht wie Nagerspuren, ist eine Pflegemassnahme, die in Naturschutzgebieten angewandt wird. Mit Ringeln wird Totholz gefördert.

Kurt Peter
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Diese Erle wurde geringelt: Im Vordergrund ein alter Schnitt, im Hintergrund eine frische Massnahme. (Bild: Kurt Peter)

Diese Erle wurde geringelt: Im Vordergrund ein alter Schnitt, im Hintergrund eine frische Massnahme. (Bild: Kurt Peter)

Kurt Peter

kreuzlingen@thurgauerzeitung.ch

Derzeit fallen entlang der Wege in der ökologischen Ausgleichsfläche Schreckenmoos südlich von Kreuzlingen deutliche Beschädigungen an der Rinde zahlreicher Bäume auf. Auf den ersten Blick könnte es ein Biber gewesen sein. Doch dem ist nicht so. Das Ringeln wird angewendet, um einzelne Bäume, die erwünschte Pflanzen behindern, gezielt absterben zu lassen.

«Ein Baum funktioniert wie ein Springbrunnen», erklärt Andri Chesini, Forstwart bei Pro Forst. «Der Baum nimmt über die Wurzeln die Nährstoffe auf. Diese wandern über Stamm und Äste in die Blätter, wo Zucker gebildet wird.» Damit die Energie nicht mehr in die Wurzeln zurückfliessen kann, wird die Rinde entfernt. In der Folge sterben die Bäume langsam ab. Werde ein Baum nur abgeschnitten, gebe es stark wuchernde Stockausschläge, das sei nicht überall erwünscht, erklärt Chesini.

Der Baum bleibt auch nach dem Absterben stehen

Pro Forst führt im 12,8 Hektaren grossen Naturschutzgebiet Schreckenmoos die Pflegemassnahmen durch. Laut Konzept hat Biodiversität Priorität. «Dabei spielt das Ringeln eine zentrale Rolle», erklärt Kreisforstingenieur Erich Tiefenbacher. Der Baum bleibe auch nach dem Absterben stehen. Damit sichere er durch sein Wurzelwerk noch den Boden, biete aber auch zahlreichen Tieren einen Lebensraum. «Stehendes Totholz ist bis zu zehnmal wertvoller als liegendes», erklärt er. Denn dieses werde schnell feucht und von Pilzen befallen.

Die Schweizer Waldwirtschaft geniesse international einen sehr guten Ruf, habe eine Spitzenstellung in den meisten Bereichen. Allerdings schneide sie im Bereich Totholz schlecht ab. «Unsere Wälder sind fast zu gut gepflegt.» Es gelte daher, erklärt Tiefenbacher, den Totholz-Anteil zu erhöhen. Deshalb komme Ringeln – in Naturschutzgebieten oft angewendet – teilweise auch im Wald zum Einsatz. «Vor allem, wenn das Herausbringen des Holzes zu viele Schäden am verbleibenden Bestand verursacht oder zu teuer wird.» An ­unzugänglichen Orten oder in Waldreservaten sei Ringeln dazu unter Umständen eine sinnvolle Massnahme.