«Keine Angst, der Computer explodiert nicht»

«Halt, stop, Sie sind z'schnäll», ruft eine Frau. Sie verwirft die Hände über dem Kopf. Ihr angestrengter Blick ist auf den Bildschirm ihres Laptops gerichtet. Sie unterbricht den Kursleiter jäh, als er gerade erklärt, wie man die Pixel-Grösse von Bildern einstellt.

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Nie zu alt für Computer und Internet: Der Berater Bruno Büttler zeigt Verena Ammann, wie man Bilder bearbeitet. (Bild: Reto Martin)

Nie zu alt für Computer und Internet: Der Berater Bruno Büttler zeigt Verena Ammann, wie man Bilder bearbeitet. (Bild: Reto Martin)

«Halt, stop, Sie sind z'schnäll», ruft eine Frau. Sie verwirft die Hände über dem Kopf. Ihr angestrengter Blick ist auf den Bildschirm ihres Laptops gerichtet. Sie unterbricht den Kursleiter jäh, als er gerade erklärt, wie man die Pixel-Grösse von Bildern einstellt. Wolfgang Haschka hört mitten im Satz auf und geht zur Frau, die nicht mehr mitkommt. Er führt ihre Computer-Maus rasch auf dem Schreibtisch hin und her, ein, zwei Klicks und das richtige Fenster geht auf. Der Blick der Frau entspannt sich, sie übernimmt wieder das Kommando ihrer Maus.

Mit Internet zurück ins Leben

Im Kreuzlinger Einkaufszentrum Karussell ist ein Teil der Cafeteria mit grauen Stellwänden abgetrennt. An den Tischen sitzen drei Frauen und ein Herr. Sie nehmen am Kurs «Bilder bearbeiten und ins Web laden» teil. Seniorweb Schweiz, Pro Senectute Thurgau und Swisscom bieten die Internetkurse für Senioren an. «Wir wollen ältere Menschen motivieren, das Internet zu nutzen», sagt Projektleiter Werner Affentranger. «Sie werden im Alter immer weniger mobil und isolieren sich», sagt der Berner. «Vieles geht an ihnen vorbei. Mit dem Internet erleben sie mehr.»

Von Immobilität ist sie noch weit entfernt: «Ich habe eine Frankreich-Rundreise gemacht und viel fotografiert», erzählt Christel Bühlmann aus Kreuzlingen. «30 Grad warm war es und wunderbar.» Fotos drucke sie schon lange nicht mehr aus. Und brennt sie ihre Ferien-Erinnerungen auf CD, würden diese auf dem Regal verstauben. Darum hat sie sich auch für den Nachmittagskurs eingeschrieben. Dort lernt sie, Fotobücher zu erstellen. «Das Wichtigste ist, dass man keine Angst vor Computern hat», sagt sie.

Die Kurse wurden im Frühling erstmals im Berner Einkaufszentrum Wankdorf durchgeführt. Coop holte das Projekt nach Kreuzlingen und stellt die Infrastruktur zur Verfügung. Referenten, Begleiter und die Mitarbeiter am Info-Stand im Karussell arbeiten ehrenamtlich. Seniorweb berät die Teilnehmer telefonisch auch nach dem Kurs, wenn etwas nicht so läuft, wie gelernt.

Schräger Horizont muss weg

«Da machi dihei aber anderst», tönt es vom Nebentisch. Die zwei Begleiter, Bruno Büttler und Doris Kaufmann, haben viel zu tun. Sie helfen den Teilnehmern umzusetzen, was der Referent erklärt. Inzwischen lernt die Gruppe, einen schräg fotografierten Horizont auszugleichen. Noch will er nicht überall ganz waagrecht stehen.

Nach fünf Minuten sagt der Kursleiter: «Jetzt zeige ich euch noch die dritte und einfachste Methode, wie man den Horizont wieder gerade bekommt.» Eine Frau seufzt und fragt, wieso er das Einfachste erst zum Schluss erklärt. Der Leiter lächelt verschmitzt. Oder entschuldigend? Das Niveau der Teilnehmer variiert extrem. Während einige sich gleichzeitig unterhalten können, dem Kursleiter zuhören und Bilder auf den Desktop laden, kommen andere bereits an ihre Grenzen, wenn sie einen Doppelklick mit der Maus ausführen sollen.

90-Jährige auf Online-Reisen

«Der Leiter muss sich dem Tempo und dem Können der Senioren anpassen», sagt Ruth Mettler, Bereichsleiterin Bildung bei Pro Senectute Thurgau. Manchmal steht sie am Info-Stand im Eingang des Karussell. «Einige winken gleich ab und sagen, sie seien für das Internet zu alt.» Dabei würden sich sogar 80- und 90jährige Menschen für die Kurse anmelden. «Der Computer kann nicht explodieren», entgegne sie den Skeptikern. Sie lacht. Neben Bilder zu bearbeiten, lernen die Senioren auch Reisen im Internet zu buchen oder Einzahlungen online zu erledigen. «Wichtig sind aber auch Kurse für absolute Einsteiger», sagt Ruth Mettler. 16 Kurse werden noch durchgeführt.

«Ich bin etwas enttäuscht vom Kurs», sagt Verena Ammann aus Happerswil. «Wo korrigiert man denn jetzt rote Augen?», fragt sie und fügt seufzend hinzu: «Wer weiss, ob ich das zu Hause alles noch kann.»

Cathrin Michael

Die Kurse à zwei Stunden kosten 40 Franken. Infos bei Pro Senectute unter: 071 626 10 83.