Karpfen waren für die Schweine

ARBON. Arbon wurde schon 3700 vor Christus als idealer Siedlungsplatz entdeckt. Hans Geisser, Kurator des Historischen Museums, führte einer Gruppe die damalige Lebensweise vor Augen.

Hedy Züger
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Von der Geschichte fasziniert verfolgt das Publikum die Ausführungen von Kurator Hans Geisser. (Bild: Hedy Züger)

Von der Geschichte fasziniert verfolgt das Publikum die Ausführungen von Kurator Hans Geisser. (Bild: Hedy Züger)

Die Führungen von Hans Geisser durch die älteste Arboner Geschichte, zu den Funden im Museum, versetzen in eine Zeit, 3400 vor Christus, als aus nomadisierenden Menschen sesshafte Sippen mit Ackerbau und Viehzucht wurden.

Auf einer Karte zeichnete Geisser den Verlauf des Ufers bei Arbon nach. Im Laufe der Zeit veränderte Geschiebe aus Bächen und dem See die Uferlinie.

Sieben Kulturen

In der Bleiche, damals nahe am See, wurden Siedlungen der Jungsteinzeit sowie der Bronzezeit ausgegraben. Insgesamt wird von sieben Kulturen ausgegangen, ein Teil bleibt der späteren Forschung vorbehalten. Geschichtliche Forschung sei einem starken Wandel unterworfen, sagte Hans Geisser. Auf den berühmten Stand des Irrtums wies der Führer beim Gedenkstein Ecke Friedenstrasse hin, wo 1902 das Römerkastell vermutet wurde.

Des Schreibens unkundig

So vielfältig die Funde in der Bleiche sind, das Abc oder andere schriftliche Formen beherrschten die frühen Bewohner nicht. Vergleiche mit dem Zweistromland oder Ägypten erübrigen sich. Sich mit den Leuten aus dem Neolithikum und der Bronzezeit zu befassen, fasziniert trotzdem. Man wisse, so Geisser, dass sie nur ein Alter von etwa 30 Jahren erreichten. Gräberfunde gebe es keine. Die Ausgrabungen legen aber vieles offen, das Geisser oft mit viel Witz kommentierte: «Die Männer brachten kostbare Halsketten heim, wollten oder mussten sie…?»

Der älteste Rahmquark

Schmackhaft zwar nicht, aber noch geniessbar war eine Haselnuss, die ans Tageslicht kam und Hans Geisser «zum Probieren» übergeben wurde. «Die Leute wussten auch damals schon, was gut ist», sagte der Kurator des Museums, «sie assen Egli, Felchen und Hecht selber – und überliessen Brachsmen und Karpfen den Schweinen.» Speiseresten in den Kochtöpfen zeigen, dass Milch verarbeitet wurde.

Der bedeutendsten archäologischen Ausgrabung in der Bleiche, 1993–95, gingen kleinere Grabungen voraus: 1885 die erste, 1945 eine weitere, bei der etwa 30 polnische Internierte vorzügliche Arbeit leisteten. Einige der jungen Polen blieben nach Kriegsende in Arbon und entgingen der schwierigen Rückkehr in das kommunistische Land.

Fachtourismus setzte ein

Früh sei Arbon in einen europaweiten Fachtourismus einbezogen worden, der sich für alle Sparten wissenschaftlicher Forschung interessierte, von der Pflanzen- und Tierwelt bis hin zu den Parasiten, von welchen die Siedler geplagt wurden.

Die Unesco, die Organisation der UNO für Erziehung, Wissenschaft und Kultur, zeichnete die Siedlung aus der Bronzezeit, Bleiche 2, 1700 v. Chr., und das Jungsteinzeit-Dorf Bleiche 3, 3400 v. Chr., aus. «Ein historisches Ereignis, das einmalig bleiben wird», hielt Hans Geisser fest.

Arbon habe seine Verpflichtungen gegenüber dem Welterbe seinerseits erfüllt: Die beiden Siedlungen wurden für die Forschung künftiger Generationen korrekt zugedeckt. Das Land, auf dem sich die Siedlungen befinden, bleibe im Besitz der Bürgergemeinde, sagte Geisser. Es wurde mit einem befristeten Baurecht vergeben, die Bauten auf dem Land dürfen nicht unterkellert werden.