Erwin Feurer hat in seinem Leben viel Geld verloren, aber nie seinen Idealismus. Jetzt will er eine soziale Revolution anzetteln mit Menschen, die unter Burn-out leiden. Es soll die grösste Selbsthilfeorganisation aller Zeiten werden. Sympathisanten gibt es, bisher aber keine Zusagen.
EGNACH. Das ist so eine Geschichte, wie sie nur Erwin Feurer passiert. Auf der Wiese hinter seinem Haus hat er im Sommer ein Paar getroffen. Einen jungen Mann und seine taubstumme Frau. Sie kämen aus Rumänien, erzählten sie, seien zu Fuss in die Schweiz gelaufen, knapp 2000 Kilometer. Feurer liess sie bei sich in Egnach wohnen, gab ihnen zu essen. Er setzte Himmel und Hölle in Bewegung, um Arbeit für den Mann zu finden. Es war schwierig. Als er endlich eine Stelle hatte, war das Paar verschwunden. Über Nacht einfach weg. «Sie wollten wohl nicht mehr länger warten», sagt Feurer.
Er steht in seinem Büro im Obergeschoss des Bauernhauses. Fünf Tische sind aneinander geschoben, darauf liegen Akten, Blätter, Bücher. Die Wände hängen voll mit modernen Gemälden. Er unterstütze Künstler, die nicht so bekannt seien, sagt er. «Die Überflüssigen, Ausgegrenzten, Vergessenen – das sind mir die liebsten.» Feurer, 62 Jahre alt, sieht selber aus wie ein Künstler, graue, leicht gelockte Haare, Kinnbärtchen, randlose Brille.
Er war Bauunternehmer, ist jetzt noch Verleger und nach wie vor Visionär. «Ich habe den Bahnhof Rheineck vor dem Abbruch gerettet», erzählt Feurer. Aus dem Gebäude machte er ein Kulturzentrum. Nach fünf Jahren war Schluss, weil das Geld fehlte. Im Prozess um Rolf Erb verklagte Feurer die Sachwalter. Er unterstellte ihnen ein Komplott, sie hätten das Erb-Vermögen verschleudert. Die Klage wurde abgewiesen, Feurer zu einer Entschädigung von 24 Millionen verurteilt. Eine Summe, die er nie wird zahlen können. «Es ist absurd», sagt Feurer und lacht trocken.
Geld interessiert ihn nicht wirklich. Trotzdem ist es mühsam, wenn man keines hat, aber viele Ideen. Denn Erwin Feurer möchte etwas bewegen. So ein bisschen die Welt aus den Angeln heben. Deshalb hat er den Internationalen Burn-out-Fund gegründet. Die grösste Selbsthilfeorganisation aller Zeiten soll es werden. Feurer ist überzeugt, dass Burn-out jeden auf dieser Erde treffen kann. Deshalb sollte es problemlos möglich sein, genügend Sympathisanten und Gönner zu finden. Und natürlich Mitglieder: 100 000 würden fürs erste reichen. «Das ist machbar.» Aber nicht hier in der Schweiz, hier gehe es den Menschen zu gut.
Sachsen im Osten Deutschlands hat sich Feurer als Standort ausgesucht. Von hier soll seine Idee ausstrahlen in die Welt. Der deutsche Osten hat wenig Geld und viele Probleme. Hier tut man eine Idee wie seine nicht gleich als Spinnerei ab. Feurer ist kein Arzt, auch kein Psychologe. Burn-out kennt er aus eigener Erfahrung. Ihm geht es um das, was hinter der Krankheit steckt: Die Leistungsgesellschaft, die mit ihrem Tempo und Druck die Menschen krank macht. Die Zerstörung der Erde und die Schere zwischen arm und reich. Die ganz grossen Themen also. «Wir können nicht ewig so weiter machen», sagt Feurer und fährt sich mit den Fingern durch die Haare. Die Veränderung müsse von unten kommen, von denen, die am System leiden: den Burn-out-Kranken.
Im Juli 2009 liess der Umtriebige den Internationalen Burn-out-Fund als Verein ins St. Galler Handelsregister eintragen. Zweck: «Vorbeugung, Behandlung und Erforschung der Krankheit Burn-out». Die Betroffenen sollen wieder in die Gesellschaft eingegliedert werden, indem sie im Fund Aufgaben übernehmen. Zum Beispiel Spenden sammeln.
Im gleichen Jahr kaufte er das Barockschloss Radibor bei Dresden. Schön, aber baufällig. Radibor soll Geschäftssitz des Burn-out-Funds werden. Was finanziell möglich war, hat Feurer in den letzten Jahren in die Renovation gesteckt. Jetzt sei das Schloss «minimal bewohnbar».
Mit 5 Euro oder 10 Franken kann man Gönner beim Internationalen Burn-out-Fund werden. Bis jetzt gibt es keine Gönner, auch keine neuen Mitglieder. Offiziell sei noch kein Startschuss erfolgt, rechtfertigt sich Feurer. Warum nicht? Er blickt nachdenklich in den Rauch seiner Zigarette. «Weil die starken Leute gefehlt haben.» Er spüre viel Sympathie. Es gebe spannende Gespräche mit gescheiten und mächtigen Menschen, aber keine konkreten Zusagen.
Visionen lassen sich nicht von heute auf morgen verwirklichen. Feurer möchte es gerne bis zu seinem 70. Geburtstag schaffen. Noch lieber früher.