ARBON. Im Arboner Untergrund schlummern noch zahlreiche stumme Zeugen der römischen Besiedelung. Grosse Gebiete sind überbaut. Die Archäologen nutzen aber jede Gelegenheit, noch nicht gelüfteten Geheimnissen auf die Spur zu kommen.
Als die Arbeiter vor bald 130 Jahren Hunderttausende Kubikmeter Erdmaterial wegbeförderten, um im heutigen Bahneinschnitt die Schienen legen zu können, gingen wahrscheinlich auch zahlreiche Reste der früheren römischen Besiedelung in die Seedeponie.
Damals habe es weder ein archäologisches Bewusstsein gegeben noch Fachleute beim Kanton, die solche Siedlungsspuren dokumentierten, sagt Simone Benguerel. Die Berner Seeländerin ist Leiterin des Bereichs Archäologie im gleichnamigen kantonalen Amt in Frauenfeld. Sie wird mit einem Team diese Woche in Arbon anrücken, um auf einer noch unüberbauten Parzelle beim Bahneinschnitt, an der Ecke Frieden-/Römerstrasse, mit Baggerschlitzen Sondierungen vorzunehmen. Zuerst wird das Land noch vermessen.
Vor Terrainveränderungen werden solche archäologischen Sondierungen jeweils dort veranlasst, wo im Untergrund Siedlungsspuren aus früheren Epochen vermutet werden. Das war jüngst vor dem Bau der Siedlung Schäfliwiese so.
Entlang der Bahnlinie stehen jetzt so genannte Bodeneingriffe an: Hier wird das Trassee der neuen Kantonsstrasse gelegt. Bevor das Asphaltband gelegt wird, soll im nördlichen Bereich der Rebenbrücke gegraben werden.
Als das Bergliquartier entstanden war, stiess man bei den Ausläufern im Übergang zum städtischen Siedlungskern und bei Strassenbauarbeiten auf grössere Mauerreste und Gebäudegrundrisse. Das war 1902. Partiell waren zuvor schon Relikte der römischen Besiedelung freigelegt worden, Scherben und Ziegel. Entdeckt hat man Teile von Wohnbauten aus jener Zeit. Ebenso Spuren frühmittelalterlicher Körperbestattung. Nicht von ungefähr seien Strassenzüge nach den Römern und Alemannen benannt worden, so Benguerel. Viele Fragen seien aber bis heute offen geblieben und Erkenntnisse vage, weil zum einen die damaligen Ansprüche der Archäologie noch bescheiden waren und zum andern das Gebiet inzwischen grossflächig überbaut ist.
So weist heute noch ein vom Firmenpatron Adolph Saurer gesetzter, teilweise überwucherter Gedenkstein am Rande der Grabungsparzelle auf einen historischen Irrtum hin. Fälschlicherweise wurde 1902 angenommen, als man auf mächtige Grundmauern eines römischen Gebäudes stiess, es handle sich dabei um Teile des spätrömischen Kastells.
1957 erst kamen beim Umbau des Schlosses und beim Bau einer Abortanlage dann anderswo dessen Grundmauern tatsächlich zum Vorschein. Der gesamte Mauerring der mächtigen Befestigungsanlage hat eine Ausdehnung von 110 mal 80 Meter. Unterhalb der Martinskirche sind Teile eines Eckturms freigelegt. Reste des Grabens um das Kastell wurden 1991 beim Bau der Tiefgarage beim Fischmarktplatz entdeckt.
Mit den diese Woche beginnenden Sondiergrabungen hoffen die Archäologen zu weiteren Erkenntnissen über die römische Besiedelung zu gelangen.
Ein Geheimnis bleibt der Verlauf der römischen Strasse von Arbon nach Pfyn, wo laut Benguerel zeitgleich Kastelle bestanden hatten. «Es existieren Quellen und Pläne einer solchen Verbindung, aber keine Vermessungspläne. So ist die Linienführung unklar.»
1988 schien das Rätsel gelüftet. Bauarbeiter hatten bei Kanalbauarbeiten an der Römerstrasse (die so benannt ist, weil hier die alte Strasse vermutet wird) auf merkwürdige Bollensteine gestossen. Die vermeintliche Römerstrasse entpuppte sich dann jedoch als schlichte Grabenabdeckung.