Führt der Kanton Thurgau die Flat Rate Tax ein, müssen in Kradolf-Schönenberg fast 30 Prozent der Steuerpflichtigen keine Steuern mehr zahlen. Gemeindeammann Walter Schönholzer meldet finanz- und staatspolitische Bedenken an.
KRADOLF-SCHÖNENBERG. Bereits heute sind in der Politischen Gemeinde Kradolf-Schönenberg 19 Prozent (Kanton Thurgau: 17 Prozent) der Steuerpflichtigen davon befreit, einen Beitrag an die Finanzierung des Gemeinwesens zu leisten. «Damit konnten wir leben», sagt Gemeindeammann Walter Schönholzer. Mit der Einführung eines Einheitssteuersatzes würde sich dieser Anteil aber auf etwa 29 Prozent erhöhen (Kanton Thurgau: 24 Prozent). «Das hätte in unserem Fall Mindereinahmen von 10,7 Prozent oder netto 190 000 Franken zur Folge, was fast 5 Steuerprozenten entspricht», gibt Schönholzer zu bedenken. Auch in dieser Hinsicht drohte Kradolf-Schönenberg somit ins Hintertreffen zu geraten, wird im kantonalen Durchschnitt doch lediglich mit Ausfällen von 9,9 Prozent gerechnet.
Kradolf-Schönenberg läuft aufgrund seiner Bevölkerungsstruktur Gefahr, in diese missliche Lage zu geraten. «Der Mittelstand und der oberste Einkommensbereich sind bei uns im kantonalen Vergleich unterdurchschnittlich, Leute aus dem untersten Ein-kommenssegment hingegen überdurchschnittlich vertreten», erklärt der Gemeindeammann. Schönholzer bezweifelt, dass die zu erwartenden Verluste durch ein Wachstum des Steuersubstrats innerhalb von zwei Jahren wettgemacht werden können, wie dies die Befürworter der Flat Rate Tax ins Feld führen. «Diese Prognose war vielleicht in der Zeit vor der Finanzkrise realistisch, jetzt sieht die Situation aber wesentlich anders aus.» Vor dem Hintergrund der aktuellen Weltwirtschaftslage werde die Rechnung bloss für Gemeinden aufgehen, die von einkommensstarken Zuzügern profitieren, vermutet Schönholzer.
Die Frage, ob sich Kradolf-Schönenberg die zu erwartenden Steuerausfälle leisten könnte, beantwortet Schönholzer mit einem klaren Nein. «Wäre dies der Fall, dann würde das ja bedeuten, dass wir bis anhin zu viel Steuern eingezogen haben, und das trifft ganz sicher nicht zu», argumentiert der Gemeindeammann. Die Befürchtung, dass der in der Region mittlerweile attraktive Gemeindesteuerfuss beim Ausbleiben des Wirtschaftswachstums wieder erhöht werden muss, damit weiterhin alle kommunalen Aufgaben erfüllt werden können, ist laut Schönholzer nicht von der Hand zu weisen. Sollte kein ausreichender Ausgleich für die überdurchschnittlichen Ausfälle steuerertragsschwacher Gemeinden geschaffen werden, könne sich der Gemeinderat Kradolf-Schönenberg mit der geplanten Teilrevision des kantonalen Steuergesetzes daher nicht einverstanden erklären, hält Schönholzer fest.
Für den Gemeindeammann von Kradolf-Schönenberg wäre es auch aus staatspolitischen Überlegungen höchst fragwürdig, wenn in Zukunft eine zahlenmässig so grosse Bevölkerungsgruppe staatliche Dienstleistungen quasi «zum Nulltarif» in Anspruch nehmen könnte. Er plädiert deshalb dafür, dass alle – ungeachtet ihres Einkommens und Vermögens – einen Minimalbetrag entrichten sollten. Die Feuerwehrabgabe sei ein gutes Beispiel für eine solche Kopfsteuer.