500 Schafe, drei Esel und ein Bär

Seit Mitte November ist der Schafhirt Franco Vitali mit 500 Schafen in der Ostschweiz unterwegs. Der 58jährige Bündner geniesst die Ruhe als Hirte – auch wenn er nicht immer alleine ist. Mit dem Bären M13 hat er ebenso Bekanntschaft gemacht wie mit aggressiven Thurgauer Hunden.

Daniela Ebinger
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Schafhirt Franco Vitali wandert mit 500 Schafen durch den Thurgau. (Bild: Daniela Ebinger)

Schafhirt Franco Vitali wandert mit 500 Schafen durch den Thurgau. (Bild: Daniela Ebinger)

LANGRICKENBACH. Bis Mitte März zieht Franco Vitali mit seiner Schafherde im Thurgau umher. Wo er morgen ist, weiss er heute noch nicht. «Wir ziehen so weit, bis die Schafe gutes Gras gefunden haben», sagt er in gebrochenem Deutsch.

Normalerweise ist der Bündner aus Poschiavo von Mitte November bis Mitte März im Kanton St. Gallen anzutreffen. Dieses Jahr unterstützt er die Hirtin Margrith Fritschi aus Güttingen. Mit rund 500 Schafen zieht der 58-Jährige von Wiese zu Wiese.

Der Thurgau gefällt ihm gut. Die Ruhe in der Natur im Flachland geniesst Franco Vitali seit 20 Jahren. Er schätzt milde Winter ohne Schnee wie in diesem Jahr. «Der Schnee ist unangenehmer als Wind und Regen, denn die Schafe müssen ihr Futter zum Teil mühsam suchen», sagt der Hirt. Den Sommer verbringt er zusammen mit seiner Ehefrau Ilaria auf der Alp Palü. Dort sorgen sie sich nebst den Schafen um 20 Rinder und melken rund 30 Kühe.

Ein Treffen mit M13

Auf der Alp machte Franco Vitali im Jahre 2012 mit dem Bären M13 Bekanntschaft. Sieben Schafe hat der Braunbär ihm dazumal gerissen. Er musste zusehen, wie ein Esel in die Pranken des Bären geriet. «Das ist nicht schön», sagt der Hirt, aber er ist dem Bär deswegen nicht böse.

Vitali mag jedes Tier – auch Bären und Wölfe. «Alle haben ein Recht zu leben, aber Bären und Wölfe gehören nicht in unsere Gegend.» Er begreift die Menschen nicht, die diese Tiere wieder in seiner Heimat, in Graubünden, ansiedeln wollen. Doch auch hier im Flachland scheint es nicht immer friedlich zu sein. «Wenn Hundehalter ihre Vierbeiner auf die Herde loslassen, sind sie ein Problem», sagt der Schafhirt. Vor einigen Jahren habe ihm ein Hund sogar einige Schafe angegriffen, und er musste später die Tiere metzgen.

Ansprechen ist erlaubt

Trotzdem geniesst er die Arbeit mit seinen Tieren in der freien Natur. Interessierte Besucher, die Zeit für einen Schwatz haben, freuen ihn. Manche bringen ihm Kaffee und anderes vorbei.

Neben ihm an der Leine führt er den Bergamasker Mischling Salva. «Er muss noch viel lernen», sagt Vitali über seinen sieben Monate alten Hund. Seine beiden anderen Hunde, Lori und Jara, hingegen erledigen ihre Aufgabe bereits wie Profis. Konzentriert sitzt die schwarze Hirtenhündin am Boden und hält ihre Herde im Auge. Drei Schafe verlassen beim Grasen die Herde. Blitzschnell schiesst die Hündin aus ihrer Position und verweist die Wolltiere zurück zu ihren Artgenossen. Sieben Schafe in der Herde tragen ein Glöckli. «Ich mag das Gebimmel, und es ist beruhigend», sagt der Hirt, der früher Bahngleise gelegt hat.

Eine Suppe zum Abendessen

Mit dabei in der Herde sind auch die Esel Pipo, Luna und Biancina. Diese tragen während des Tages das Essen, Werkzeug und die mobilen Zäune für die Nacht auf ihren Rücken.

Er selber schläft in einem Wohnwagen, den er mit dem Auto von Standort zu Standort fährt. Darin kocht er sich ab und zu eine Suppe und Pasta. Einkaufen gehen mag er nicht. Er begnügt sich lieber mit dem einfachen Leben und ist zufrieden.