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Ostschweiz
Vor zwei Jahren setzte ein explodierter Akku ein Haus in Neukirch-Egnach in Brand, drei Personen wurden leicht verletzt. Dem Angeklagten wird vorgeworfen, dass man nach dem Grossbrand in Steckborn über die Gefahr solcher Batterien Bescheid wissen müsste. Das Bezirksgericht Arbon spricht den Angeklagten frei.
«Der Schock sitzt immer noch tief», sagt der 43-jährige Mann. Er habe heute noch Angst vor Strom, selbst das Handy lade er nur noch unter Aufsicht. Am Montag stand der Mann vor dem Bezirksgericht Arbon und erzählte, was sich in jener verhängnisvollen Nacht im November 2018 im Haus seiner damaligen Ehefrau zugetragen hatte.
Von einem Kollegen habe er ein Modellflugzeug bekommen. Um die Flügelfunktion zu testen, habe er nach einer passenden Batterie gesucht und diese in einem defekten Modellauto gefunden. Im Internet habe er geschaut, wie man eine solche Batterie auflade. Wie im Youtube-Video erklärt, habe er den Akku mit einem T-Stecker an das Ladegerät angeschlossen. Er stellte das Ladegerät auf den Linoleumboden, drückte den Startknopf und verliess den Raum.
Als er nach etwa 30 Minuten zurückkam, stand das Zimmer in Flammen. Er versuchte erfolglos den Brand zu löschen und alarmierte telefonisch die Notrufzentrale. Er verliess das Haus, stellte eine Leiter an ein Fenster im Obergeschoss, damit seine Frau und deren Tochter das Haus ebenfalls verlassen konnten – das Treppenhaus war zu diesem Zeitpunkt wegen der Rauchentwicklung nicht mehr passierbar.
Der Mann habe fahrlässig gehandelt, kam die Staatsanwaltschaft nach der Untersuchung der Brandursache zum Schluss. «Spätestens seit dem Grossbrand in Steckborn dürfte jedem bekannt sein, wie brandgefährlich solche LiPo-Akkus sind», argumentierte die Staatsanwaltschaft und schickte dem 43-Jährigen einen Strafbefehl wegen fahrlässiger Verursachung einer Feuersbrunst.
Im Dezember 2015 zerstörte ein Brand sechs Häuser in Steckborn. Davon brannten drei historische Häuser komplett nieder. Mehr als 160 Feuerwehrmänner waren im Einsatz. Es entstand ein Schaden von rund 12 Millionen Franken. Ursache des Feuers war ein Akku. Genauer ein Lithium-Polymer-Akku, der im Modellbau verwendet wird. Der Akku wurde unbeaufsichtigt geladen, es kam in der Nacht zu einer Überhitzung und schliesslich zum Brand. Ein Ehepaar wurde angeklagt, den Grossbrand fahrlässig verursacht zu haben. Schon damals hiess es vor Gericht, dass die Explosionsgefahr von aufladbaren Batterien bekannt sein müsste. Dennoch wurde das Ehepaar freigesprochen.
Der 43-Jährige wurde zu einer bedingten Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 100 Franken und einer Busse von 400 Franken verdonnert, zudem sollte er eine Verfahrensgebühr von 600 Franken, Untersuchungskosten von 453 Franken und Polizeikosten von 3378 Franken bezahlen. Dagegen wehrte sich der Mann, und sein Anwalt forderte eine richterliche Beurteilung.
«Er hatte keine Ahnung von der Gefährlichkeit des Akkus, zumal er diesen aus einem Kinderspielzeug genommen hatte», begründete der Verteidiger die Forderung, seinen Mandanten von Schuld und Strafe freizusprechen. Der aus Algerien stammende Mann spreche nicht sehr gut Deutsch, lese keine deutschsprachigen Zeitungen und sei zudem erst im Sommer 2016 – also ein halbes Jahr nach dem Brand in Steckborn – in den Kanton Thurgau gezogen.
Zudem müsse man davon ausgehen, dass ein Normalverbraucher keine Ahnung habe, wie ein LiPo-Akku aussehe. Fahrlässig sei nicht die Verhaltensweise seines Mandanten, sondern dass solche Batterien überhaupt verkauft werden dürfen.
So sah es auch das Bezirksgericht Arbon. Fairerweise müsse man dem Beschuldigten zugutehalten, dass er nicht nichts gemacht habe, er habe sich im Internet schlau gemacht. Eine Bedienungsanleitung gab es nicht, da das Modellauto dem verstorbenen Mann seiner damaligen Frau gehört hatte. Mit neun Jahren Grundschule in Algerien habe der Mann ein Minimum an Bildung und es fehlten ihm die besonderen Kenntnisse und Erfahrungen eines Hobby-Modellbauers. Das Gericht sprach den 43-Jährigen frei. Die Verfahrens- und Gerichtskosten sowie seine Auslagen für den Anwalt gehen zu Lasten der Staatskasse.