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Ostschweiz
Während die Welt wegen der Coronakrise stillsteht, arbeiten Handwerker und Mechaniker derzeit an der Seilbahn zum Hohen Kasten. Wie sich die Revisionsarbeiten gestalten, zeigt der Technische Leiter auf einem Rundgang.
Wo es sonst nach Wanderschuhen und Sonnencréme riecht, steigt einem dieser Tage ein Geruch in die Nase, der eher an eine Werkstatt erinnert. Es riecht nach dem Schmiermittel WD-40 und Metall. Derzeit laufen bei der Bahn und dem Drehrestaurant Revisionsarbeiten.
Der Technische Leiter der Seilbahn Hoher Kasten, Fabian Schocher, steht bereit für eine Probefahrt hinauf zum Gipfel. Er blickt zu den Rollen und den zentimeterdicken Stahlseilen hinauf. Sie halten die rund viereinhalb Tonnen schwere Kabine.
Während er in die Kabine steigt, erklärt Schocher die Arbeiten, die bei so einer Revision durchgeführt werden:
«Eine Revision ist wie ein Service bei einem Auto. Der Unterschied dazu ist, dass wir hier jedes einzelne Bauteil auseinandernehmen, prüfen und dann wieder zusammensetzen. Das passiert alles an der höchsten Stelle, 142 Meter über dem Boden.»
Dieses Jahr wurde unter anderem die Bremsanlage der Bahn komplett erneuert. Die Behörden schreiben der Seilbahn vor, was in welchen Abständen revidiert werden muss. Anschliessend werden einige Testfahrten durchgeführt. Damit wird geprüft, ob alles rund läuft. Schocher dreht den Schlüssel und die Testfahrt beginnt.
Die Seilbahn überwindet bei ihrer rund acht minütigen Fahrt 857 Meter Höhenunterschied und kann maximal 50 Passagiere plus einen Fahrer befördern. In den letzten Jahren beförderten die beiden Kabinen pro Jahr jeweils über 200'000 Gäste auf- beziehungsweise runter vom Berg. Die Fahrt mit dem Technischen Leiter ist langsamer. Schocher öffnet die Dachluke und kontrolliert den Lauf der Seile auf den Rädern.
Im Schritttempo tuckert die Kabine über die Rollen, Schocher blickt gespannt hinauf. «Diese Rollensysteme sind ziemlich komplex und wir müssen jede einzelne genau prüfen», sagt er und zeigt ein Bild auf seinem Smartphone. Darauf zu sehen: Mitarbeiter, die auf der Seilbahn stehen.
«Schwindelfrei muss man schon sein, wenn man auf so einem drei Zentimeter dicken Stahlseil steht und seine Arbeit machen muss. Da muss man seinen Kopf beisammen haben», sagt Schocher und grinst mit einem Funken Stolz in den Augen Für den gelernten Polymechaniker ist die Arbeit am Berg ein Traumberuf.
Während die Welt wegen dem Coronavirus still zu stehen scheint, und viele meist ihre Arbeiten von Zuhause aus machen können, wäre das hier unmöglich. Auf das Thema Homeoffice angesprochen, sagt Schocher: «Wir würden ja schon gerne Teile mit nach Hause nehmen und sie auf dem Stubentisch revidieren. Das Problem aber ist, dass sie schlicht zu schwer sind. Einige wiegen hundert Kilogramm, andere gar mehrere Tonnen.
Die Kabine kommt nach einer ruhigen Fahrt oben in der Bergstation an. Schocher steigt aus der Kabine und zeigt nach oben: «Wir mussten dieses Zugsseil der Kabine um etwa einen halben Meter kürzen. Durch Temperaturunterschiede und die Belastung verformen sich die Seile und die Litzen etwas.» Dafür mussten die Spezialisten das Seil durchtrennen und die tonnenschweren Seilverankerungen lösen. Kein leichtes Unterfangen.
Neben den Arbeitern der Seilbahn haben auch Spezialisten des Herstellers die Revision begleitet. «Am Ende wird dann jedes Teil geprüft und wir können uns darauf verlassen, dass alles hält», sagt Schocher und öffnet die Türe zu einem Schacht.
Oben in der Bergstation hängt ein 48 Tonnen schweres Betongewicht, das die Last der Seilbahn ausgleicht. Schocher läuft darunter und leuchtet mit der Taschenlampe auf die Befestigungen.
Neben den Arbeiten an der Seilbahn, wird das Panoramarestaurant auf Vordermann gebracht. Wo nötig werden anstehende Reparaturen durchgeführt und die Installationen gesäubert. «Jetzt haben wir Zeit und hoffen, dass auch bald die Gäste wieder kommen dürfen», heisst es oben bei einem Kaffee unter den Handwerkern. Sie sitzen strikt zwei Meter voneinander entfernt.
Der Rundgang des Technischen Leiters geht bei der Aufhängung der Kabine weiter. Über eine versteckte Türe in der Wand der Bergstation geht es hoch hinaus unter das Dach der Seilbahn. Ein Blick hinunter offenbart die Bedingungen für die Handwerker: Es geht weit hinunter, sehr weit. Die Revisionsarbeiten verlangen enormes Fingerspitzengefühl, heisst es.
Am 11. August 1964 wurde die Seilbahn auf dem Hohen Kasten in Betrieb genommen. Seither werden in regelmässigen Abständen alle Teile überholt und erneuert. Im Jahr 2001 gab es ein neues Gehänge, 2010 neue Kabinen und 2014 wurden die Steuerung und der Antrieb erneuert. Die vier Tragseile der Bahn sollen in acht Jahren ausgetauscht werden.
Nach der abschliessenden Testfahrt wieder hinunter ins Tal, steigt Schocher aus und blickt zufrieden auf den Berg zurück: «Wir wären für die Saison bereit. Doch nun heisst es: Abwarten»