Zustände wie auf dem Bahnhof

Speerspitz

Beat Lanzendorfer
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Als Stammgast besitze ich eine Mitgliederkarte und kann mich anmelden, indem ich diese über das an der Rezeption installierte Lesegerät halte. So viel Privilegien geniesst der Herr noch nicht, der gleichzeitig mit mir das Gebäude betreten hat. Ungefähr in meinem Alter, wirkt er etwas unsicher. Daher ist er froh, als er von der Dame am Empfang mit einem freundlichen «Hallo, was kann ich für dich tun» begrüsst wird.

An der Theke fallen mir zwei Männer auf, beide ungefähr 35 Jahre alt, die ich hier ebenfalls noch nie gesehen habe. Leicht verschwitzt an einem Bier nippend, scheinen sie einen zufriedenen Eindruck zu hinterlassen. Sie haben es also schon hinter sich. So weit ist jener Herr im hinteren Teil des Raumes noch nicht. Mit einem kleinen Wohlstandsbauch ausgestattet, sind seine Kraftanstrengungen mit gleichzeitigen Verrenkungen deutlich hörbar. «Das legt sich, wenn du regelmässig hier bist», denke ich mir. Am gleichen Ort hat es sich eine jüngere Frau gemütlich eingerichtet. Für mich ist es immer wieder ein Rätsel, wie man gleichzeitig telefonieren, seine Mails checken und noch halbwegs vernünftig trainieren kann. Bei ihr geht so etwas. Die wenigen Schweisstropfen auf der Stirn sprechen hingegen eine andere Sprache. Während hier im Parterre schon einiges los ist, kommt es mir auf dem Weg in den 1. Stock so vor, als befände ich mich auf dem Bahnhof. Hier sind viel mehr Menschen als noch vor einer Woche. Wundert mich das? Eigentlich nicht. Es ist jedes Jahr dasselbe. Viele nehmen sich zum Jahreswechsel vor, einige Pfunde abzunehmen. Dazu gehört der Kauf eines Abonnements im Fitnessstudio, weshalb der Andrang in den ersten Tagen des Jahres deutlich höher als üblich ist.

Für mich hat dies zur Folge, dass es an den Fitnessgeräten zu einem kurzfristigen Stau führen kann. Diese Erscheinung ist allerdings nur temporär. Spätestens dann, wenn die gemachten Vorsätze in den Köpfen wieder verdrängt sind und der innere Schweinehund besiegt ist, wird es hier wieder ruhiger. Beruhigend. Ein Phänomen, das sich Jahr für Jahr immer wieder wiederholt.

Beat Lanzendorfer

beat.lanzendorfer@

toggenburgmedien.ch