Nur wegen des Amtszwangs konnten heuer in Innerrhoden alle Bezirksratsämter besetzt werden. Eine Person wurde, obwohl krankheitsbedingt abwesend, gewählt. Das bereitet selbst dem Landammann Mühe. Zeit für eine Strukturreform.
APPENZELL. Gemäss dem regierenden Landammann Roland Inauen war der Amtszwang in Appenzell Innerrhoden früher noch strenger als heute. Bis 1994 konnten die Leute laut Verfassung dazu gezwungen werden, sich bis zu zwanzig Jahren für einen Dienst in der Öffentlichkeit einsetzen zu müssen. Seit der Verfassungsreform untersteht jemand nach acht Jahren Behördentätigkeit keinem Zwang mehr. Und in der Regel wird man gemäss Inauen sogar schon vorher aus dem Zwang entlassen – so geschehen am Sonntag im Bezirk Schlatt-Haslen. Nach zwei Jahren als Hauptmann hat das Stimmvolk Gerhard Leu vom Amtszwang befreit und liess ihn zurücktreten.
Gleichzeitig sind am Sonntag im gleichen Bezirk zwei neue, unter Amtszwang stehende Personen in den Bezirksrat gewählt worden. Eine dieser Personen war krankheitsbedingt abwesend und konnte sich nicht einmal vor Ort gegen eine Wahl wehren. Das bereitet selbst Landammann Roland Inauen Mühe. «Dass jemand ohne Vorabklärung und in Abwesenheit an einer Bezirksgemeinde in ein Amt berufen wird, sollte eigentlich nicht sein», sagt er und manifestiert dadurch den Wunsch nach einer Veränderung der politischen Kultur. Letztlich sei es nun aber so: «Besagte Person ist gewählt. Würde sie aber für die Nichtannahme des Amtes beispielsweise gesundheitliche Gründe anführen, die eine Amtsausübung nicht erlauben, wäre eine Amtsbefreiung zu prüfen.»
Inauen hat derzeit keine Kenntnis von grossen Diskussionen, die in Richtung Streichung des Amtszwangs laufen könnten. Stattdessen erinnert er an 1994, als sich die Landsgemeinde klar für die Beibehaltung ausgesprochen habe. Ausserdem scheiterte vor zwei Jahren die von alt Säckelmeister Sepp Moser eingereichte Initiative zur Amtszeitbeschränkung. Dabei wurde unter anderem argumentiert, diese Initiative würde sich mit dem Amtszwang beissen.
Nach den Vorkommnissen vom Wochenende wundert es nicht weiter, dass nun ausgerechnet aus dem Bezirk Schlatt-Haslen der Vorstoss für Strukturveränderungen kommt. Zwar lehnte die Landsgemeinde vor drei Jahren eine Fusion der fünf Bezirke im Inneren Land ab, hiess aber ein Fusionsgesetz gut. «Auf der Basis dieses Gesetzes sind Körperschaften frei, über Fusionen zu verhandeln», sagt Roland Inauen. Die Schulgemeinde und der Bezirk Oberegg hätten bereits einen entsprechenden Prozess hin zu einer Einheitsgemeinde eingeleitet.
In Schlatt-Haslen wurde der Bezirksrat am Sonntag vom Stimmvolk beauftragt, eine Kooperation mit einem oder mehreren Bezirken anzustreben. Antragsteller war Rolf Inauen, der auch als Kantonsrichter amtet. «Ein über Jahre erfolgreiches politisches Milizsystem kann in dieser Form nicht weiter aufrechterhalten werden», sagt er angesichts der schwierigen Personalsuche. Der Leidensdruck im Bezirk Schlatt-Haslen habe die Schmerzgrenze überstiegen.
Wie Interims-Hauptmann Sepp Neff ausführt – auch er hat diese Funktion nur widerwillig angenommen –, wird als konkreter Fusionspartner Appenzell ins Auge gefasst. Der dortige Bezirksrat hat, wie Appenzells Frau Hauptmann Lydia Hörler bestätigt, Bereitschaft für Gespräche signalisiert. Ob man eine Fusion aber tatsächlich will, wird gemäss Fusionsgesetz in jeder betroffenen Körperschaft vorerst eine Grundsatzabstimmung brauchen. Nicht ausgeschlossen ist gemäss Hörler, dass Appenzell als grösserer Bezirk auch Forderungen stellen wird. Landammann Roland Inauen zeigt sich gespannt, welch ein Prozess nun anläuft. Dass die Fusionsbestrebungen von unten kommen, wertet er als positiv.