Elsi Hohl zeigt in der RAB Bar eine Retrospektive ihres Schaffens. Während 40 Jahren hat sie Scherenschnitte gemacht. Entstanden ist die Leidenschaft allerdings aus einer Not heraus.
Astrid Zysset
astrid.zysset@appenzellerzeitung.ch
Eine ruhige Hand braucht es. «Und die habe ich», lächelt Elsi Hohl. Konzentrieren könne sie sich auch sehr gut, und ausreichend Geduld sei bei ihr vorhanden. Denn ein Scherenschnitt dauerte schon mal mehrere Wochen. In der RAB Bar in Trogen zeigt Hohl aktuell eine Retrospektive ihres Schaffens. 40 Jahre lang machte sie Scherenschnitte. Die erste Ausstellung hatte sie 1985 im Gewerbemuseum in Winterthur, die letzte 2010 in China. Ein Jahr darauf legte sie die Schere nieder. Denn: «Die Augen machten nicht mehr mit. Und die Arthrose in der Hand verunmöglichte einen detailgetreuen Schnitt», so Hohl. Wehmut ist aber keine auszumachen. Die 70-Jährige lächelt, gibt an, dass nun eben ein anderer Lebensabschnitt Einzug gehalten habe. Soziale Aufgaben habe sie übernommen. Kreativ sei sie nach wie vor, nun aber mit Stoffen. Sie nähe und dekoriere. Und Grossmutter sei sie vor neun Monaten ebenfalls geworden.
34 Scherenschnitte hängen an den Wänden der RAB Bar, zusätzlich noch einige Miniaturmalereien. Mit Pulverfarben sind die Appenzeller Brauchtumsmalereien entstanden. Das Senntum findet sich auch in den Scherenschnitten wieder. Trachten, Bauernhäuser, Kühe sind zu sehen. Das grösste Bild stellt den Landsgemeindeplatz in Trogen dar. «Ich bin mit den Traditionen vertraut», so Hohl. Im Hinterland sei sie aufgewachsen. Das Brauchtum lässt sich auch in der Ornamentik erkennen, die viele Scherenschnitte «umschliesst». Gerätschaften der Bauern wie Milchtanse, Fahreimer, Melkstuhl, Gabel, Sensen, aber auch Perlen aus den Hauben der Silvesterchläuse, Schellen und Rollen ranken sich in unzähliger Ausführung um das zentrale Motiv des Scherenschnitts. Alles fein geschnitten. Haargenau ausgearbeitet. Mit Spezialschere und Skalpell sei dies möglich gewesen, so die Künstlerin. Das Schneiden sei aber nur das eine, die Vorbereitungen das andere. Jeder Scherenschnitt wurde vorgezeichnet. Mittels eines Spiegels sah Hohl, als sie den ersten Teil zu Papier brachte, wie der gesamte Scherenschnitt einmal wirken würde. Anschliessend folgten Schattierungen. So konnte sie sich vorstellen, wie der fertige Schnitt aussieht. Die Scherenschnitte waren entweder aus schwarzem oder weissem Papier entstanden und wurden auf den konträren Hintergrund geklebt. Der Schwarz-/Weiss-Effekt liess die Feinheiten im Schnitt noch klarer erkennbar werden. Geschnitten wurden zuerst die abgeschlossenen Flächen im Innern. «Wenn ich mit den Feinheiten aussen angefangen hätte, wäre es unmöglich geworden, den Scherenschnitt gegen Ende noch geeignet in den Händen zu halten.»
Als Motive sind in der Ausstellung auch Wirtshausschilder, Kirchenfenster und Blumen zu sehen. «Ich wollte aus jeder Schaffensperiode etwas zeigen», so die Künstlerin. Die letzten Arbeiten aus dem Jahre 2011 beinhalten Szenen aus dem Appenzellerland – dieses Mal allerdings ohne umschliessende Ornamentik. Damit hatte Hohl aufgehört. Warum, weiss sie selbst nicht. «Ich hatte einfach Lust, die Bilder offener zu gestalten.»
Als Hohl angefragt wurde, die Retrospektive zu zeigen, musste sie erst die Scherenschnitte zusammen suchen. Einige befanden sich bei ihr auf dem Estrich, viele hatte sie aber auch verschenkt. «Ich habe immer noch Freude an meinen Werken», sagt sie. In all den Jahren hatte sie den Enthusiasmus nie verloren. Auch wenn es anstrengend war, wie sie zugibt. Nach 45 Minuten jeweils hatte sie die Schere beiseite legen müssen, da ihr Nacken spannte. Ein falscher Schnitt und das gewünschte Bild war zunichte. «Ich stellte sehr hohe Ansprüche an mich selbst.» Angefangen hatte sie mit den Scherenschnitten während ihrer Ausbildung zur Primarlehrerin. Mit ihrem knappen Budget sah sie keine andere Möglichkeit, Geschenke für Familie und Freunde zu kreieren. Das Hobby baute Hohl dann aus. Auftragsarbeiten habe sie ungern angenommen. Da hätte sie sich wie in einem «Korsett» gefühlt. Ihre Kreativität konnte sie so nicht ausleben. «Ich hatte immer zur Schere gegriffen, wenn ich Lust dazu hatte. Genauso organisierte ich auch Ausstellungen.»
Hinweis
Die Ausstellung in der RAB Bar ist noch bis zum 26. Januar zu sehen, jeweils freitags ab 17 Uhr.