TEUFEN: Die Tunnelfrage polarisiert

Beim Thema Kurztunnel sind Gemeindepräsident Reto Altherr und Werner Hugelshofer vom Initiativkomitee selten einer Meinung. So beurteilen sie die Kostenschätzung, Sicherheitsaspekte und den Einfluss auf die Dorfgestaltung unterschiedlich.

Jesko Calderara, Patrik Kobler
Drucken
Werner Hugelshofer sass einst im Gemeinderat. Er ist Mitglied des Komitees für den Kurztunnel.

Werner Hugelshofer sass einst im Gemeinderat. Er ist Mitglied des Komitees für den Kurztunnel.

Jesko Calderara, Patrik Kobler

redaktion@appenzellerzeitung.ch

In Teufen läuft die heisse Endphase des Abstimmungskampfs zur Kurztunnel-Initiative. Am nächsten Sonntag entscheiden die Stimmberechtigten über die Vorlage. Der ehemalige Gemeinderat Werner Hugelshofer betont im Streitgespräch die Vorteile eines Tunnels. Gemeindepräsident Reto Altherr hält dagegen die Doppelspur für die bessere Lösung.

Werner Hugelshofer, geht es Ihnen bei der Abstimmung am 21. Mai wirklich um den Kurztunnel, oder wollen die Initianten mit dem Begehren einfach die geplante Doppelspur verhindern?

Hugelshofer: Der Tunnel ist Mittel zum Zweck. Unser Anliegen ist es, den Freiraum in Teufen zu erhalten. Manchmal habe ich den Eindruck, dass die Appenzeller Bahnen und der Kanton mit ihren Projekten dominieren. Die Gemeinde wehrt sich gelegentlich zu wenig für die Anliegen der Bürger. Der geplante Kreisel beim Bahnhof beispielsweise wird die Wahrnehmung des Dorfs massiv verändern. Um solche Sachen geht es mir.

Reto Altherr, wie beurteilen Sie als Gemeindepräsident die Bedeutung des Urnengangs in knapp einer Woche?

Altherr: Die Ortsdurchfahrt war in Teufen schon vor 70 Jahren ein Thema. Es gab bereits mehrere Abstimmungen zur Tunnelfrage. Es ist eine sehr komplexe Problematik, zu der es keine einfachen Antworten gibt. Teufen ist nun mal ein langgezogenes Strassendorf. Die Sicherheit auf der ganzen Strecke zwischen Bahnhof und Lustmühle steht für uns im Vordergrund. Der Gemeinderat will auch das Zentrum attraktiver gestalten. Auf dem Abschnitt vom Bahnhof bis zum Schützengarten würde ein Tunnel für die Bahn helfen, aber auf dem Streckenteil Schützengarten bis Elektro Nef würden neue grosse Probleme geschaffen. Betrachtet man den gesamten Planungs- perimeter, hat die Doppelspur unserer Meinung nach das bessere Kosten-Nutzen-Verhältnis.

Das sehen Sie als Mitglied des Initiativkomitees wohl anders.

Hugelshofer: Die Bahn verfolgt primär zwei Ziele: eine Fahrzeitverkürzung und eine Fahrplanstabilität. Wegen letzterem Punkt ist die Bahn für die Doppelspur. Diesem Anliegen ordnet sie sehr viel unter. Ich frage mich allerdings, warum ausgerechnet ein kurzer Tunnel ein solches Hindernis sein soll. Der Ruckhaldetunnel ist ja auch nur einspurig.

Altherr: Mit dem heutigen eingleisigen Eisenbahn-Regime durch Teufen haben die Appenzeller Bahnen primär ein Sicherheitsproblem. Das müssen sie korrigieren, egal mit welcher Variante. Ein Tunnel würde das Problem nur auf einem kurzen Abschnitt im Dorfzentrum beseitigen. Der Umstieg auf das Strassenbahnsystem mit zwei Gleisen hätte mehrere Vorteile. Die Reduktion von drei auf zwei Fahrbahnen schafft Platz für den Veloverkehr und die Fussgänger. Der Zug fährt in Verkehrsrichtung und muss auf Sicht anhalten können. Aus diesem Grund braucht es die ganzen Sicherungsanlagen nicht mehr. Ein solches System ist auch für Autofahrer einfacher.

In St. Gallen gibt es die Strassenbahnlösung ja bereits. Warum soll das in Teufen nicht funktionieren?

Hugelshofer: Wie haben nie behauptet, dass die Doppelspur nicht geht. Sie ist aber unserer Ansicht nach keine wünschenswerte Variante und bringt nicht mehr Sicherheit. Mit einem Tunnel würde dagegen die Bahn wegfallen, wodurch sich die Komplexität verringert. Das Spisertor in St. Gallen ist abgesehen davon ein Verkehrsknotenpunkt. In Teufen führt die Bahnstrecke hingegen durch das Zentrum. Von daher lassen sich die beiden Ausgangslagen nicht vergleichen.

Altherr: Es ist korrekt, die Komplexität reduziert sich mit einem Tunnel auf einer kurzen Strecke im Dorf. Allerdings besteht auch die Gefahr, dass der Verkehr schneller wird, wenn die Bahn wegfällt. Das ist der Sicherheit nicht förderlich. Aus diesem Grund ist auch schon die Idee einer 30er-Zone aufgetaucht. Das ist zwar nicht unmöglich, aber schwierig zu realisieren. Denn die Hauptstrasse durch das Dorf ist eine kantonale Hauptverkehrsachse.

Hugelshofer: Natürlich hat der Kanton keine Freude daran, auf seinen Strassen 30er-Zonen einzurichten. Aber was ist die Realität? Ein Autofahrer muss von St. Gallen her kommend bei der Elektro Nef AG abbremsen und kann aufgrund der engen Gegebenheiten kaum 50 Stundenkilometer fahren. Es wird keine Beschleunigung geben, nur weil die Bahn weg ist.

In der laufenden Diskussion zur Kurztunnel-Abstimmung spielt auch der geplante Kreisel eine grosse Rolle. Warum braucht es diesen überhaupt?

Altherr: Der Bahnhofkreisel ist ein separates Projekt und unabhängig von den Varianten Doppelspur beziehungsweise Kurztunnel. Wir sind aber von seiner Notwendigkeit überzeugt. Ein Kreisel wird helfen, die steigenden Verkehrsströme zu lenken. Er funktioniert mit und ohne Doppelspur. Bei der bestehenden Kreuzung hat der Gemeinderat in dieser Hinsicht grosse Bedenken.

Hugelshofer: An der Infoveranstaltung der Gemeinde hat der Kantonsingenieur gesagt, dass der Kreisel nicht Gegenstand des Bahnprojektes ist. Da muss ich widersprechen. Warum nimmt man den Kreisel in die Berechnungen für die Doppelspur und den Tunnel rein, wenn er nichts damit zu tun hat? Ich habe den Eindruck, dass doch ein Zusammenhang besteht. Spätestens dann, wenn die Doppelspur gebaut ist. Die Leute können sich heute die vorgesehene Dimension des Kreisels noch gar nicht vorstellen.

Der Kantonsingenieur hat den Kurztunnel mit Blick auf die Situation beim Spar als die schlechtmöglichste Variante bezeichnet.

Hugelshofer: Wenn der Zug mit angenommenen 50 Stundenkilometer aus dem Tunnel kommt, ist er ein gewisses Risiko. Das kann man durchaus so sehen. Die Bahn überlegt sich aus Sicherheitsüberlegungen, den bestehenden Bahnhof Stofel zu verlegen. Wir schlagen eine Haltestelle beim Spar vor, wo ja eine gerade Strecke vorhanden ist. Auf diese Weise käme der Zug verlangsamt aus dem Tunnel und würde halten. Natürlich hätten wir beim Schützengarten einen Bahnübergang, der nicht optimal ist. Die beste Lösung wäre der Langtunnel gewesen.

Ist es die Taktik der Initianten, diesen wieder ins Spiel zu bringen?

Hugelshofer: Nein, in keiner Weise. Unser Hauptanliegen ist die Entlastung des Dorfzentrums.

Wie schätzen Sie die Situation beim Spar ein?

Altherr: Wenn der Zug aus dem Tunnel kommt, hat er eine gewisse Geschwindigkeit, um den Fahrplan einzuhalten. Dies macht Sicherungsanlagen (Barrieren und eine Sicherung des Trassees gegenüber dem Gebäude Spar) notwendig. Bei der Idee der Initianten mit einer Haltestelle bleibt die Platzproblematik, da die Passagiere ja irgendwie aussteigen müssten.

Das Initiativkomitee veranschlagt den Gemeindeanteil für den Kurztunnel mit zehn Millionen Franken. Der Gemeinderat spricht dagegen von fast 25 Millionen Franken, die Teufen tragen müsste. Wie erklären Sie sich diese Diskrepanz?

Hugelshofer: Es ist eine Frage, welcher Planungsperimeter für die Berechnungen betrachtet wird. Mir ist nicht klar, warum der Kreisel und andere Vorhaben in die Kostenschätzung für den Kurztunnel einfliessen. Ich denke da an die Sanierung des Bahnhofs Stofel. Was die Doppelspur letztlich verschlingen wird, ist übrigens noch völlig unklar. Ein Gesamtprojekt mit allen Teilvorhaben fehlt zurzeit.

Altherr: Wir haben zwei Ingenieurbüros beauftragt, die bezüglich den Kosten ungefähr zum gleichen Schluss gekommen sind. Wem soll ich denn überhaupt noch glauben, wenn nicht den Fachleuten? Im Vordergrund stehen aber nicht primär die Kosten. Die Gemeinde Teufen kann den Kurztunnel stemmen. Aus Sicht des Gemeinderates wäre dies aber nicht die richtige Investition, da die Strassenbahnvariante ein deutlich besseres Kosten-Nutzen-Verhältnis hat.