Talent
«Laufen ist nun meine Arbeit, mein Job»: Der Speicherer Dylan Ritzmann ist Jungprofi bei On

Er gewann mehrere Strassenläufe, trainierte bereits in Kenia: Der 20-jährige Dylan Ritzmann aus Speicher gilt als Talent. Sportschuhhersteller On hat ihn diesen Sommer als Newcomer verpflichtet und mit einem Profivertrag ausgestattet.

Mark Riklin
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Dylan Ritzmann aus Speicher ist Mitglied des On-Teams.

Dylan Ritzmann aus Speicher ist Mitglied des On-Teams.

Bild: Michel Canonica / Tagblatt

Ein Samstagmorgen, kurz nach 9 Uhr. Knietief steht Dylan Ritzmann in einer Wassertonne, französischer Rap im Ohr. Nichts überlässt der 20-jährige Läufer am Renntag dem Zufall. Mit einem 20-minütigen Eisbad wird die Durchblutung der Wadenmuskulatur gefördert, mit einer Druckwellen-Massage die restliche Säure aus der Muskulatur gepresst und im ganzen Körper verteilt. Noch 5 Stunden bis zum Rennstart des 20. Amriswiler City-Run.

Aufbautraining

Nach zwei langen Verletzungspausen befindet sich der Läufer des LC Brühl, der unter Trainer Markus Hagmann gross geworden ist, im Aufbautraining. Letztes Jahr warf ihn das Pfeiffersche Drüsenfieber aus der Bahn, dieses Jahr eine langwierige Bänderverletzung. Beide Male sei er in Topform gewesen, bedauert Ritzmann, der sich in diesen Monaten immer wieder hinterfragt:

«Macht das wirklich Sinn? Lohnt sich all mein Aufwand? Reicht es eines Tages, um international mitzulaufen? Oder sollte ich doch besser einer geregelten Arbeit nachgehen wie meine Alterskollegen?»

Profivertrag

Bis vor ein paar Tagen leistete der ausgebildete Restaurationsfachmann als Gefangenenbetreuer Zivildienst in einem Gefängnis der Stadt St.Gallen. Eine Gegenwelt, die ihm bewusst machte, was für ein Privileg es ist, täglich seiner Leidenschaft nachgehen zu dürfen und darin unterstützt zu werden. Von seinen Eltern, seinen Trainern und von der Firma On, die ihn diesen Sommer als Newcomer verpflichtete und mit einem zweijährigen Profivertrag ausstattete. Ein wohltuendes Signal, dass sein Talent und Potenzial wahrgenommen werden.

«Seither ist Laufen nicht mehr nur ein Hobby», sagt Dylan Ritzmann, «Laufen ist nun meine Arbeit, mein Job.» Ein 17-seitiges Vertragswerk regelt die Pflichten, Rechte und Boni für besondere Leistungen. On bezahlt alle anfallenden Kosten für Ausrüstung und Trainingslager, als Gegenleistung schmückt sich Ritzmann mit dem Werbelogo, testet die neusten Prototypen der Schuhe und postet auf Insta, wie es sich anfühlt, «auf Wolken zu laufen».

Anruf aus Siena

Auf dem Höhenweg, direkt vor seiner Haustür. Dylan Ritzmann wärmt sich auf, macht ein paar Hügelsprints und zischt an Spaziergängern vorbei, die gerade die grandiose Aussicht auf Säntis und Bodensee geniessen. Das Telefon klingelt. Der italienische Trainer Guiseppe Giambrone erkundigt sich nach seinem Wohlergehen und fragt zum wiederholten Male, wann er ins Tuscany Camp in Siena anreise. Noch ist es zu früh, Dylan Ritzmann fühlt sich noch zu wenig gut in Form.

Es ist nicht das erste Mal, dass der mehrfache Gewinner von Strassenläufen im Ausland Schwung holt. Bereits mit 16 Jahren flog er für drei Wochen alleine nach Iten, eine kleine afrikanische Stadt in Kenia, das Mekka talentierter Langstreckenläufer auf einer Höhe von 2400 Metern über Meer. Vor einem Jahr zog es ihn erneut ins kenianische Hochland. Drei Monate lang lebte er mit einem Franzosen in einer Blechhütte in einfachsten Verhältnissen, um im «Home of Champions» trainieren und im Sog Gleichgesinnter mitlaufen zu dürfen.

Eine neue Disziplin

Diesen Frühling wurde Dylan Ritzmann erstmals nach San Rocco a Pilli ins Tuscany Camp bei Siena eingeladen, ein professionelles Sport- und Leichtathletikzentrum für Mittel- und Langstreckenläufer, mitten in der Toskana im Val di Merse gelegen. Hier möchte er sich mit Unterstützung von Guiseppe Giambrone an eine neue Disziplin herantasten. Beim «Steeple», einem Hindernislauf über 3000 Meter, gehe es nicht nur um schnelle Beine, sondern auch um eine ausgefeilte Technik, um die fünf Barrieren möglichst schnell und sicher zu überwinden. «Eine Disziplin, die mir liegen könnte.»

Samstagabend. Auf Nachfrage kommt per Whatsapp kurz, knapp und unmissverständlich das Ergebnis des Strassenlaufes über 3000 Meter: Dylan Ritzmann läuft auf den ersten Platz, mit grossem Vorsprung auf das Verfolgerfeld. Ein weiterer Schritt auf dem Weg zurück zur Topform und nach Siena.