Nicht jeder Songtext wird von Beginn an richtig verstanden. Redaktor Serge Hediger über kindliche Missverständnisse beim Musikhören.
«Du, Papi», fragte kürzlich der Fünftklässler während einer Autofahrt zwischen Lichtensteig und Wattwil, «warum schreit Jesus?» Schon wollte der Vater mit einem unverbindlichen «Das kommt auf den Zusammenhang an» antworten, als er merkte, dass den Kleinen die Frage wirklich beschäftigte. «Wer behauptet denn, dass Jesus schreit?», hakte er nach. «In der Schule sagen sie es», antwortete der Bub. «Und im Lied heisst es auch auf Englisch ‹Jesus cries›.» Der Vater musste schmunzeln. Elfjährige sind des Frühenglischen eben mächtig, und so hat der Bub einfach «Jesus Christ» falsch verstanden.
Was hier vorliegt, ist ein sogenannter Mondegreen. Mit diesem Ausdruck bezeichnen Wissenschafter falsch verstandene Textzeilen innerhalb einer Sprache. Der Begriff geht zurück auf einen Essay der US-Autorin Sylvia Wright. Diese hatte als Kind in einer schottischen Ballade um einen sterbenden Earl den Satz «laid him on the green» missverstanden als «Lady Mondegreen». Ist ja naheliegend tröstlich: Earl und Lady im Tod wieder vereint.
Hören ist ein komplexer Vorgang, denn auf dem Weg vom Sender zum Empfänger kann der Botschaft allerhand passieren. Vor allem, wenn sie dabei auch noch die Sprache ändert. Dann nämlich liegt kein Mondegreen, sondern ein sogenannter Hobson-Jobson vor. Ein historisches Wörterbuch dieses Namens listete zur britischen Kolonialzeit indische Ausdrücke und ihre phonetisch ins Englische übertragene Entsprechungen auf.
Aber eigentlich wollte der Junge ja nur wissen, warum Jesus schreit. Der Vater antwortete schliesslich: «Das weiss ich nicht.»
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