Mit zwei lachenden und einem weinenden Auge erlebte ich meine letzte Session. Sie war alles in allem erfolgreich und effizienter als frühere. Der Bundesrat und das Parlament waren bestrebt, viele angefangene Geschäfte noch ins trockene zu bringen.
Mit zwei lachenden und einem weinenden Auge erlebte ich meine letzte Session. Sie war alles in allem erfolgreich und effizienter als frühere. Der Bundesrat und das Parlament waren bestrebt, viele angefangene Geschäfte noch ins trockene zu bringen.
Bei traumhaftem Herbstwetter veranstaltete das Fernsehen einen lärmigen und sicher teuren Jahrmarkt auf dem Bundesplatz. Zahllose hässliche, weisse Container versperrten Sicht und Wege zum Bundeshaus. Schon um 6 Uhr früh mussten Partei-, Fraktionspräsidenten und Politiker antraben. Man wollte Volksnähe zeigen; allerdings war ich nicht die Einzige, die den Eindruck hatte, dass weniger das Volk als die Werbung in eigener Sache im Vordergrund stand. Wird hier den Politikern die nächste Gebührenerhöhung oder die Erlaubnis für noch mehr Werbung schmackhaft gemacht? Dass ich etwas bissig bin, hängt damit zusammen, dass die FDP an ihrem Tag derart falsch und verunglimpfend dargestellt wurde, dass sich die Fernsehschaffenden entschuldigen mussten und zugaben, grobe, unverzeihliche Fehler begangen zu haben. Bis Medienschaffende so etwas zugeben, braucht es schon ein Fiasko!
Ein ständiges Ärgernis sind die vielen ausserordentlichen Sessionen. Auch diesmal waren deren drei traktandiert mit den Themen: 1. wirtschaftliche und soziale Situation der Bevölkerung, 2. Kernenergie und alternative Energien sowie 3. Zuwanderung und Asylwesen. Nach längeren Debatten werden jeweils über Hunderte von Vorstössen en bloc abgestimmt. Wie seriös das ist, bleibe dahingestellt.
Sehr erfreulich war für mich das klare Bekenntnis zu Managed Care. Mit diesem Modell, das für alle Vorteile bringt, sollen vor allem Menschen, die an mehreren Krankheiten leiden, durch ihre Hausärzte auf ihrem Behandlungsweg begleitet werden. Diese achten sorgfältig darauf, dass Untersuchungen, Behandlungen und Medikamente aufeinander abgestimmt werden. Damit wird es möglich, Doppelspurigkeiten und Unverträglichkeiten zu vermeiden, eine bessere medizinische Versorgung zu ermöglichen und erst noch Kosten zu sparen. Nur die SP war gegen die Managed-Care-Vorlage, was ihr Medienschelte eintrug. Das «St. Galler Tagblatt» schrieb, die SP setze sich ins Boot der hochbezahlten Spezialärzte, und der «Tages-Anzeiger» meinte sogar, die SP habe sich aus der Gesundheitspolitik verabschiedet. Bereits wurde das Referendum angekündigt, was uns ermöglichen wird, die Vorlage der Bevölkerung nahezubringen.
Gefreut hat mich auch das neue Namens- und Bürgerrecht, das den Frauen die Gleichstellung mit den Männern bringt. Damit konnte ein langwieriger Prozess zu einem guten Ende gebracht werden.
Direkt betrifft unseren Kanton die Überweisung der St. Galler Kantonsinitiative, die das Bauen ausserhalb der Bauzone soweit ermöglichen soll, dass die zur Gewährleistung von zeitgemässen Wohnverhältnissen sinnvollen Massnahmen – einschliesslich Abbruch und Wiederaufbau – ermöglicht werden sollen. Hoffen wir, dass wir in Zukunft nicht mehr jedes morsche, energetisch problematische Gebäude erhalten müssen und dadurch wieder weniger verlotterte Bauten in unserer schönen Landschaft stehen.
Erleichtert bin ich auch darüber, dass die «too big to fail»-Vorlage fast unverändert , wie sie vom Expertengremium konzipiert wurde, mit wenigen Gegenstimmen verabschiedet werden konnte. Hoffen wir, dass sich unsere Grossbanken bis zur nächsten Finanzkrise soweit stärken und reorganisieren können, dass wir nie mehr eine retten müssen.
Auch das vielgescholtene Massnahmenpaket gegen die Frankenstärke passierte, trotz vorhergehender ätzender Kritik, unverändert und völlig problemlos mit 125: 61 Stimmen im Nationalrat und mit 33:7 Stimmen im Ständerat. An diesem Paket lässt sich auch zeigen, wie schwer es der Bundesrat manchmal hat. Zuerst kritisieren alle lautstark, dass der Bundesrat nichts mache, und kaum bringt er etwas, ist es sicher das Falsche. In den Kommissionen und Räten, wo man sich vertieft mit der Vorlage befasste, wurde sie für gut befunden, was nur noch wenig Beachtung fand. Kritisieren ist halt einfacher als komplizierte Vorlagen verstehen, und mit Radau gewinnt man offenbar mehr Aufmerksamkeit als mit Lösungen.
Für mich gehen mit der Vereidigung der neuen Räte Anfang Dezember fast 18 Jahre Politik zu Ende. Es war eine intensive Zeit, in der ich meinen geliebten Kanton Appenzell Ausserrhoden freudig vertreten und für ihn arbeiten durfte. Dabei habe ich viel Unterstützung und Hilfe von Frauen und Männern unseres Kantons erfahren. Vieles wurde möglich. In meiner Zeit als Finanzdirektorin und Frau Landammann durfte ich unseren Kanton durch eine schwierige Zeit begleiten. Immer habe ich versucht, das Beste zu geben für Land und Leute, wie ich es damals noch an der Landgemeinde Jahr für Jahr geschworen habe. Wie weit mir das gelungen ist, kann nicht ich beurteilen. Überall dort, wo ich Menschen verletzt oder auch nur geärgert habe, hoffe ich auf Nachsicht und Verzeihen. Selber habe ich unzählige Menschen kennenlernen und echte Freundschaften finden dürfen. Wenn man sagt, die Politik sei ein Haifischteich, so stimmt das nicht. Ich habe überwiegend Gutes und Schönes erfahren. Es hat mich innerlich reich und glücklich gemacht. Dafür danke ich Ihnen allen von ganzem Herzen.
Marianne Kleiner
Nationalrätin (FDP)
Appenzell Ausserrhoden