NESSLAU. Am Samstag wurde der Wanderpreis von Kultur Toggenburg zum zweitenmal vergeben – auch dieses Jahr mit einer Überraschung: Nach der Tanzpionierin Evelyn Rigotti bekommt ihn der 44jährige Kunstmaler Peter Thum für seine faszinierend abstrakten Landschaftsbilder.
Eigentlich ist Peter Thum ein alter Bekannter im Toggenburg. Schliesslich hat er seine ganze Schulzeit in Wattwil absolviert. Trotzdem ist der Maler in der Toggenburger Kulturszene noch kaum in Erscheinung getreten. Abgesehen von seinem Stand an den Toggenburger Künstlertagen 2013 in der Markthalle Toggenburg sah man seine Bilder öffentlich noch nie. «Mit der Kunstmalerei habe ich erst vor zwei Jahren wieder intensiv begonnen», sagt er. Der 44-Jährige hat nach einer Malerlehre den Gestalterischen Vorkurs in Zürich besucht, sich auf Dekorationsmalerei spezialisiert und 1993 eine eigene Firma gegründet. Ganze Hotelanlagen hat er mit fotorealistischen Wandmalereien «verschönert» – Auftragsarbeiten mit überwiegend postkartenähnlichen Sujets. Damit war er ein gefragter Mann, der in Zürich lebte, aber auch in Portugal oder Monaco tätig war und vor allem für seine Reisen arbeitete: Afrika, Asien, Neuseeland, Südsee. Ein Jahr Arbeit, ein halbes Jahr Reisen – so war lange Zeit sein Lebensrhythmus. Künstlerisch gemalt hat er nebenbei immer: Vor allem Porträts. Nach einem Nachdiplomstudium zum Farbgestalter kamen Aufträge als Kirchenmaler hinzu. So wirkte er zum Beispiel bei der Restaurierung der Kathedrale Chur mit und derzeit auch an der Kirche Ennetbühl. Seit einigen Jahren hat er sich zudem auf Betonkosmetik spezialisiert.
2006 kam der Umzug mit der Familie von Zürich ins Toggenburg. Ateliers wurden in Zürich immer teurer und seine Kinder sollten nicht in der Stadt aufwachsen, begründet er den Ortswechsel. «Zudem hatte ich hier im Toggenburg noch ein soziales Netzwerk vor allem mit Kunstschaffenden.» Seine aktuellen Gemälde sind denn auch inspiriert von der Toggenburger Landschaft. Zum Beispiel die «Morgenstimmung»: Himmel, Scheunendach und Erdboden schimmern blass hellblau. Über der reduzierten Silhouette des Stockbergs schneidet ein schmaler oranger Balken schnurgerade den Himmel entzwei. In der unteren Bildmitte zieht ein rätselhaftes kleines Quadrat den Blick auf sich. Das ist vertraut, wirkt unaufdringlich stimmungsvoll und sieht schön aus, ist aber gleichzeitig mit seiner rätselhafter Abstraktion irritierend. Das Gelände ist erkennbar heimatliches Toggenburg. Aber die stilistische Reduktion sowie die Einrahmung der Silhouette zwischen Balken und Quadrat verlangt vom Betrachter Einfühlungsvermögen und Interpretationsgeschick.
«Ich wollte malerisch bei Null anfangen», sagt Peter Thum. Weg von der Dekorationsmalerei und einen eigenen Stil finden auf dem weiten Feld der Landschaftsmalerei. «Meine Bilder sollen den Gesamteindruck einer Landschaft vermitteln», sagt er. Man solle sich darin nicht von Details wie Häusern oder Bäumen ablenken lassen. Der Zug ins Grosse, Allgemeine wird auch im schmalen Balken über der Silhouette deutlich: Dieser künstliche Horizont zieht den Blick über die Landschaft hinaus in die Weite (vielleicht ins Unendliche) und gibt dem Gemälde eine Bildtiefe. Und was soll das Quadrat in der Bildmitte? «Darin komprimiere ich das umgebende Licht», sagt Peter Thum. Wirkungsvoll, fast schon ironisch, wird das im Gemälde «Nacht» umgesetzt. Dort räumt Thum den Sternenhimmel aus und packt dessen Licht in ein Quadrat, so dass der Himmel rabenschwarz und leer aussieht. Thum lacht: «Das ist gar kein Schwarz, sondern dunkelgrün, das wegen dem Farbkontrast wie Schwarz aussieht.» Reines Schwarz würde zu schwer wirken, meint Peter Thum, der damit auch deutlich macht, dass er ein Farbprofi ist.
Am frühen Samstagabend nun wurde das Geheimnis auch offiziell gelüftet: In der Webstube Bühl in Nesslau trafen sich rund 50 Kulturinteressierte auf Einladung von Kultur Toggenburg. Peter Thum hatte am Vormittag die Webstube kurzerhand zur Galerie umfunktioniert. In der Küche und im Konzertsaal der Webstube hingen seine aktuellen Gemälde. Weil die letztjährige Preisträgerin Evelyn Rigotti aus gesundheitlichen Gründen fehlte, übernahm deren Sohn Luca die Übergabe des Wanderpreises. Gemäss Konzept hat Evelyn Rigotti den nächsten Preisträger bestimmt. Sie habe sich damit intensiv beschäftigt und sich schliesslich entschieden, «den Wanderpreis an einen innovativen Künstler weiterzugeben, der auch in seinem Werk eine tiefe Verbundenheit mit dem Toggenburg zum Ausdruck bringt». Rea Brändle, Vorstandsmitglied von Kultur Toggenburg, stellte den Künstler anschliessend in einer kurzen Laudatio vor.