Kunstrundgang im Treppenhaus: Malerin Harlis Schweizer Hadjidj realisiert Kunst-am-Bau-Projekt in Herisau

Vor kurzem hat die Malerin Harlis Schweizer Hadjidj aus Bühler ihr Kunst-am-Bau-Projekt im «Rosenaupark» Herisau fertiggestellt. Das aus fünf Wandbildern bestehende und über vier Stockwerke verteilte Gesamtkunstwerk soll neue Sichtweisen auf das Appenzeller Brauchtum ermöglichen.

Claudio Weder
Drucken
Der Säntis in Rosa: Harlis Schweizer Hadjidj wollte die Appenzeller Landschaft nicht so malen, wie sie in Realität ist.

Der Säntis in Rosa: Harlis Schweizer Hadjidj wollte die Appenzeller Landschaft nicht so malen, wie sie in Realität ist.

Bilder: Claudio Weder (Herisau, 2. Juni 2020)

Auf den ersten Blick fallen sie gar nicht auf: die drei Schellen, die mit Öl- und Acrylfarben auf die rechte Seitenwand im Eingangsbereich der Wohnüberbauung Rosenaupark in Herisau gemalt sind. Und dies, auch wenn sie sich farblich stark vom grauen Beton abheben. Erst wenn man im ersten Stock auf ein weiteres Gemälde stösst, wird klar, dass das Wandbild im Parterre Teil eines Gesamtkunstwerkes ist, und dass die Schellen keine gewöhnlichen sind, sondern solche, die man normalerweise mit den Silvesterkläusen in Verbindung bringt.

Drei Silvesterklaus-Schellen begrüssen den Besucher beim Eintreten ins Gebäude.

Drei Silvesterklaus-Schellen begrüssen den Besucher beim Eintreten ins Gebäude.

Von den Silvesterkläusen, oder besser gesagt von deren kunstvoll verzierten Kopfbedeckungen ist die Kunstintervention mit dem Namen «Haube», welche von Harlis Schweizer Hadjidj stammt, denn auch inspiriert. Das fünfteilige Werk ging im Rahmen eines Kunst-am-Bau-Wettbewerbs als Siegerprojekt hervor.

Neongelbe Häuser, rosarote Berge

Harlis Schweizer Hadjidj, Künstlerin aus Bühler.

Harlis Schweizer Hadjidj, Künstlerin aus Bühler.

Bild: PD

Für die in Bühler wohnhafte Malerin war es das erste Mal, dass sie zu einem solchen Wettbewerb eingeladen wurde. Umso mehr freut sich die 47-Jährige, dass sie die Jury unter der Führung von Architekt Roger Bechtiger überzeugen konnte. Tradition, Brauchtum, Natur, Handwerk – diese Begriffe mussten die sechs Teilnehmenden des Wettbewerbs in ihre Arbeit einfliessen lassen. «Der absolute Horror für mich», sagt Harlis Schweizer Hadjidj und lacht.

Das Appenzellerland habe wunderschöne Traditionen, sagt sie. Doch stört sie sich an der «Museumsshop-Stimmung», die oft rund um diese Traditionen herum kreiiert werde. So kommt es, dass die Künstlerin die Appenzeller Landschaft sowie das Brauchtum in eher ungewohnter Weise zeigt. Streusiedlungen erscheinen als neongelbe Farbtupfer in einer knallroten Hügellandschaft, der Säntis im dritten Stock ist in Rosa- und Blautönen gehalten, und auch die Schellen im Erdgeschoss entsprechen zumindest farblich nicht der Realität. Ebenso hat die Künstlerin den Beton als Farbelement integriert, was die Bilder fragmentarisch aussehen lässt.

Appenzeller Landschaft mit neongelben Häusern.

Appenzeller Landschaft mit neongelben Häusern.

Im «Hemetli», wie die Wohnüberbauung im Herisauer Dorfkern genannt wird, befinden sich mehrere altersgerechte Wohnungen, dazu eine Arztpraxis sowie verschiedene Gemeinschaftsräume. «Als ich zum ersten Mal im Treppenhaus stand, hat mich die Architektur des Gebäudes mit den vier Stockwerken, dem sich wiederholenden Grundriss und den Farben und Materialien sofort angesprochen», sagt Schweizer Hadjidj.

«Das alles wirkte auf mich wie ein einziger, sehr grosser Raum, ja, wie die Haube eines Silvesterklauses.» Aufgrund dieser Analogie sei letztlich auch die Idee zu «Haube» entstanden: Ein 60 mal 80 Zentimeter grosses Bild einer Appenzeller Landschaft mit Silvesterklaus, Streusiedlung, Berge und Himmel bildet den Ausgangspunkt des mehrteiligen Kunstwerks. Es befindet sich im ersten Stock, beleuchtet durch einen von oben herabfallenden Lichtschacht.

Die Appenzeller Landschaft bildet das Ausgangsbild des fünfteiligen Kunstwerks.

Die Appenzeller Landschaft bildet das Ausgangsbild des fünfteiligen Kunstwerks.

Über alle vier Stockwerke verteilt findet der Betrachter nun einzelne Komponenten des Ausgangsbildes in überdimensionierter Form wieder: die Schellen des Silvesterklauses im Parterre, die Wiese mit Häusern im zweiten Stock, das Alpsteinmassiv im dritten Stock und den Himmel im Obergeschoss.

Alle Stockwerke müssen erkundet werden

Die vier Fragmente des Hauptbildes sind jeweils an derselben Wand im Treppenhaus platziert. Nur von einem Punkt aus, vom oberen Treppenrand im ersten Stock, sind alle Ebenen als Gesamtbild sichtbar. «Um das Werk in seiner Ganzheit zu erfassen, muss der Betrachter also alle Stockwerke erkunden», sagt die Künstlerin. Dabei geht man in jedem Stock immer wieder direkt auf das jeweilige Bild zu, biegt links ab oder hat von Weitem einen Blick darauf, geht daran vorbei und hat die Landschaft wieder im Rücken. Es ist eine Weitsicht, die dadurch bewirkt werden soll. «So, als ob man selber auf der Haube eines Silvesterklauses sitzen und durchs Land getragen würde.»

Die Künstlerin liess sich unter anderem durch die Architektur des Gebäudes inspirieren.

Die Künstlerin liess sich unter anderem durch die Architektur des Gebäudes inspirieren.