Kein Star in Appenzell

Das 17. Postplatz- Open-Air Appenzell verzichtet am Samstag auf klingende Namen, präsentiert mit dem Israeli Asaf Avidan aber einen Musiker, der auf sich aufmerksam macht.

Philippe Reichen
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Appenzell ist ein kleines Dorf mit grossem Herzen. Der Innerrhoder Hauptort strahlt Harmonie, Gemächlichkeit, Bedächtigkeit und Ruhe aus. Wenn Streit ausbricht, kann es laut und heftig werden. Selten aber dringen Disharmonien bis in die Hauptgasse. So ist Appenzell – auch während des Postplatz-Open-Airs. Etwas anderes würde kaum in die Ortschaft passen.

«Klein, intim, charmant»

Das Postplatz-Open-Air ist wie ein Edelstein in einer sehr engen Fassung. Der St. Galler Roger Cadalbert trat 2007 auf dem Postplatz auf, damals als Schlagzeuger der Band «The Shell». Als «klein, intim und charmant» ist ihm das Festival in Erinnerung geblieben, mit seinem kompakten Platz, in dem sich nichts verliere: «Fast ein Dorffest», fasst Cadalbert zusammen.

Es habe auch nie Probleme gegeben, sagt Päddy Gloor, der in Appenzell arbeitet und einige Male als Zuhörer am Open Air war.

Das «Dorffest», das morgen Samstag zum 17. Mal stattfindet, ist dieses Jahr noch ein wenig kleiner geworden – gegen den Willen der Veranstalter. Der Bezirksrat (Gemeinderat) hat neue Auflagen gemacht: Die Politiker entschieden, das Programm sei auf maximal acht Stunden Musik zu begrenzen. Vormals galt eine Frist von 13 Uhr und 2 Uhr morgens.

Die Obrigkeit hatte gesprochen. (Die Verantwortlichen des Clanx-Festivals bekamen im übrigen den gleichen Bescheid.) Den Veranstaltern blieb keine andere Wahl, als ihr zu gehorchen, sonst wäre ihnen die Bewilligung so sicher entzogen worden, wie am letzten Aprilwochenende die Landsgemeinde tagt.

Bühne weg

Der Grund für die Einschränkung waren Bürgerinnen und Bürger, die monierten, das Open Air störe sie.

«Die Minderheit hat eine grosse Macht», sagt Martin Birrer, der für das Marketing, Sponsoring und die Programmierung zuständig ist. Birrer ärgert sich auch deshalb, weil jeweils das halbe Dorf ans Open Air pilgert und das Festival an der unteren Grenze des Machbaren angelangt ist. Denn die Veranstalter reagierten auf die Auflage, indem sie die kleine Bühne kurzerhand aus dem Programm hievten.

Dies bedauert Martin Birrer auch Wochen nach dem Entscheid noch und befürchtet empfindliche finanzielle Einbussen. Die kleine Bühne habe den Nachwuchsbands aus der Region gehört und sei beim Publikum sehr beliebt gewesen, ärgert er sich. Im aktuellen Programm, zwischen dem frühen Nachmittag und dem späten Samstagabend, haben noch genau fünf Bands Platz (siehe Kasten). Ausser für Klassik- und Volksmusikfreunde gibt es für alle Musikfans etwas: von Hip-Hop bis Irish Independent Speedfolk.

Ein Mann wie Janis Joplin

Als Hauptact wird auf dem Postplatz Asaf Avidan (im Bild) mit seiner Band The Mojos auftreten. Die Bitte um eine musikalische Einschätzung des Israeli treibt selbst Martin Birrer in die Ratlosigkeit. Er empfiehlt, sich den Musiker anzuhören, erwähnt, seine Stimme klinge wie die einer Frau. Auf der Homepage der Appenzeller Crew heisst es: «Avidans Stimme einzuordnen, scheitert aber, weil sie immer anders klingt.

» Mit Janis Joplin wurde der Singer/Songwriter schon verglichen, die Bezeichnung «folkiger Rockmusiker» ist als Allgemeinplatz schon beinahe unbrauchbar. The Mojos hingegen sind ein viel beschriebenes Blatt. Ihr Débutalbum trug ihnen eine Nomination für die MTV Music Awards ein. Interessant ist das politische Statement der israelischen Rocker: «Wir sind zufällig Israeli, aber hauptsächlich Künstler.

» Asaf Avidan könnte zu dem werden, was Angélique Kidjo bei ihrem Appenzeller Auftritt im Jahr 1999 gewesen war: Im Vergleich zu ihrer heutigen Bedeutung stand sie als nahezu unbekannte Künstlerin auf dem Postplatz, setzte dann aber zu einer Weltkarriere an.

Die Frage, wie es mit dem Postplatz-Open-Air nach 17 Jahren weitergeht, beschäftigt die Veranstalter.

Lieber freuen sie sich auf den Samstag, doch Martin Birrer sagt, ohne Hauptsponsor sei es schwierig, ein Open Air zu organisieren. Er ist zwar froh, viele kleine Sponsoren mit im Projekt zu haben, aber solche zu suchen, beanspruche sehr viel Zeit. Ein anderes Thema sei die Schwierigkeit, junge Leute zu finden, die mitziehen, so Birrer. Nun aber heisst es: Appenzell wartet. Kleine Leute mit grossen Herzen.

www.openairai.ch