Kampf gegen das Kurvenkreischen: In Speicher spitzt sich die Lage zu

Die Bürger der Gemeinde Speicher sind genervt vom Kurvenkreischen der Züge der Appenzeller Bahnen. Eine Lösung könnte nun aber in Sicht sein.

Astrid Zysset
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Das Kurvenkreischen entsteht durch die Reibung von Rad an Schiene. Automatisierte Lösungen sollen nun Abhilfe schaffen.

Das Kurvenkreischen entsteht durch die Reibung von Rad an Schiene. Automatisierte Lösungen sollen nun Abhilfe schaffen.

Bild: Ralph Ribi

Es sind nicht die einfachsten Termine für Thomas Baumgartner, Direktor der Appenzeller Bahnen (AB). Am Dienstagabend war er in Speicher an der öffentlichen Versammlung im Buchensaal zu Gast. Vordergründiges Thema: das Kurvenkreischen. Den Apéro nach der Versammlung liess Baumgartner denn auch aus. Zu hitzig war die Diskussion im Vorfeld.

Seit geraumer Zeit lassen die Züge der AB in den Kurven ein schrilles Pfeiffen respektive Heulen ertönen. Baumgartner betonte, dass man sich des Problems bewusst sei. Es komme vor allem in den engen Kurven im Raum Speicher/Trogen sowie punktuell in Teufen, in Gais und in St.Gallen beim Spisertor vor. «Für uns ist es ein lästiges Thema. Wir versuchen jedoch, das Problem in den Griff zu bekommen», so der AB-Direktor.

Bürger berichten von unzumutbaren Zuständen

Beschwichtigen liessen sich damit die Bürgerinnen und Bürger an der Versammlung jedoch nicht. Peter von Tessin wohnt in der Vögelinsegg und sprach davon, dass das Kreischen längst zu einer existenziellen Frage geworden sei. Das Interesse an Mietwohnungen im Quartier sei gesunken, Häuser lassen sich kaum mehr veräussern.

«Der Lärm ist unerträglich für alle, die in unmittelbarer Nähe zu den Gleisen wohnen.»

Das sieht auch Hugo Olsen so. Er wohnt an der St.Gallerstrasse. 1,9 Meter beträgt der Abstand von der Hauswand seines Zuhauses zu den Gleisen der AB. 20 Stunden pro Tag sei er dem Lärm ausgesetzt, gab er an. Und der Erschütterung. Das Wasser in den Trinkgläsern würde anfangen, sich zu bewegen, und Uhren stünden teilweise still, wenn ein Zug mit hoher Geschwindigkeit vorbei fährt. Ein weiterer Leidtragender, der sich an der Versammlung zu Wort meldete, war Samuel Forrer. Dessen Zuhause befindet sich hinter dem an den Gleisen gelegenen Gasthaus Krone. An Tagen, an denen es kreischt, müsse er auf seinen Mittagsschlaf verzichten.

«Ich habe mir schon überlegt, ob ich mit der Giesskanne die Gleise benetzten soll, damit der Lärm geringer wird.»

Aber sicher sei er sich nicht, ob das Kreischen von der vorherrschenden Luftfeuchtigkeit abhängig ist.

Gemäss Baumgartner ist dem so. Temperatur und Luftfeuchtigkeit bestimmen massgeblich, wie laut die Züge heulen.

«Wenn die Problemlösung aber einfach wäre, dann hätten wir sie schon längst umgesetzt.»

Bei Trockenheit und Kälte sei das Kurvenkreischen am stärksten ausgeprägt. Entstehen würde der Lärm durch die Reibung zwischen Rad und Schiene. «Das werden wir nie zu 100 Prozent in den Griff bekommen», so der AB-Direktor. Doch man wolle das Problem zumindest verringern. Bislang setzten die AB auf eine manuelle Konditionierung. Will heissen: Die Lokführer gaben per Knopfdruck ein Konditionierungsmittel auf die Schienen ab. Dies musste an der richtigen Stelle, in der richtigen Menge und zum richtigen Zeitpunkt geschehen. Wird zuviel Mittel abgegeben, kommt der Zug ins Rutschen.

Im vergangenen Jahr kündigten die AB an, dass, sofern die Problematik des Kurvenkreischens nicht bis zum Winter verringert werden könnte, weiterführende Massnahmen eingeleitet werden. Neu bereiten die AB automatisierte Lösungen vor. Die Schienenkopfkonditionierung würde nicht mehr individuell ausgelöst, sondern auf neuralgischen Streckenabschnitten wie etwa beim Schützengarten oder in der Vögelinsegg präventiv eingesetzt. Die Beurteilung dieser Massnahmen erfolgt mittels Lärmmessungen. Im April sollen erste Ergebnisse vorliegen.

Baumgartner bat um baldige Rückmeldungen, wie die neuen Massnahmen funktionieren werden. Dies allerdings in «angemessener Tonalität», wie er sagte. Die E-Mails, welche er wegen des Kurvenkreischens erhalte, seien oftmals unter der Gürtellinie einzustufen. Dass die Stimmung gereizt ist, wurde an der Versammlung deutlich. Die Bürgerinnen und Bürger beschwerten sich über die angeblich mangelnde Kommunikationspolitik der AB. Man werde hingehalten. Und das Zugpersonal sei mit der Schienenkopfkonditionierung schlicht «überfordert», hiess es. Anschuldigungen, die Baumgartner nicht auf sich sitzen liess. Von einer Überforderung seines Personals wollte er nichts wissen.

Gemeinde tritt als Vermittler auf

Gemeindepräsident Paul König ersuchte um eine konstruktive Gesprächskultur und regte an, dass sich die Leidtragenden zu einer Gruppe unter der Leitung von Peter von Tessin formieren sollten. Der Austausch mit den AB würde dann über die Gemeinde laufen. Ein Vorschlag, der nun umgesetzt wird.