Hockeynati im Hockeydorf : Altbundesrat Merz, Direktor Weibel und Haie aus Köln loben Herisau

Die Schweiz gewinnt im Herisauer Sportzentrum gegen Deutschland 4:2. Gelobt werden die Infrastruktur und die Organisation.

Mea McGhee
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Der Schweizer Marco Miranda im Zweikampf mit Kai Wissmann.

Der Schweizer Marco Miranda im Zweikampf mit Kai Wissmann.

Gian Ehrenzeller / KEYSTONE

Eltern, Grossmutter, Freundin und weitere Verwandte des Kölner Hais Colin Ugbekile sind am Donnerstag für das Länderspiel zwischen der Schweiz und Deutschland nach Herisau gereist. Sie bilden mit 2245 weiteren Zuschauern eine stimmungsvolle Kulisse und tippen auf einen 3:0-Sieg ihrer Farben.

Die Verwandtschaft des deutschen Verteidigers Colin Ugbekile ist aus Köln angereist.

Die Verwandtschaft des deutschen Verteidigers Colin Ugbekile ist aus Köln angereist.

Bild: Mea McGhee

Eine kürze Anreise hatten der fünfjährige Lyan und sein drei Jahre älterer Bruder Evan. Sie erleben einen aufregenden Abend. Zuerst das lange Warten auf den Car der Schweizer. Dieser trifft aufgrund einer Panne verspätet aus Olten ein, wodurch sich der Spielbeginn verzögert. Für Lyan und Evan heisst das 15 Minuten länger auf ihren grossen Auftritt warten. Die beiden U9-Spieler des SC Herisau dürfen wie 42 andere Nachwuchsspieler des Traditionsvereins mit einem Nationalspieler einlaufen. «Ein Highlight für die Kinder», sagt Nachwuchstrainer Andy Krapf. Der einstige NLA-Spieler des SC Herisau und Lausanne betreut die zappelige Kinderschar. An einem solchen Spiel sähen die Kids, wohin ihr sportlicher Weg sie dereinst führen könnte.

44 Kinder aus dem Nachwuchs des SC Herisau warten darauf, die Stars aufs Eis zu begleiten.

44 Kinder aus dem Nachwuchs des SC Herisau warten darauf, die Stars aufs Eis zu begleiten.

Bild: Mea McGhee

Der Musikverein Herisau gibt wie acht erstmals aufgebotene Schweizer Spieler eine Premiere – erstmals intoniert er Deutschlands Hymne, die am frühen Abend eingeübt worden ist. Unter dem Motto «Prospect Game» testet Nationaltrainer Patrick Fischer junge Spieler. Nicht weniger als 13 im Kader waren noch nicht geboren, als der SC Herisau am 22. März 1997 seinen grössten Erfolg feierte und in die NLA aufstieg. Das Sportzentrum präsentiert sich, ausgestattet mit neuer Werbung an Banden und in Bullykreisen sowie Schweizer Fahnen, als schmuckes Kleinstadion.

Etwas für den Sport bewegen

Lars Weibel, Direktor der Nationalmannschaften, lobt denn auch die Infrastruktur in Herisau. Ziel des Verbandes sei es, mit den Länderspielen in den «Randregionen» des Eishockeys etwas für den Sport zu bewegen. Die Zuschauerzahlen der Länderspiele gegen Lettland im Mai 2019 und nun gegen Deutschland würden zeigen, dass Herisau ein Hockeydorf ist, so Weibel.

Eishockey hat Tradition

Obwohl seit Jahren jeweils nur rund 300 Zuschauer die Meisterschaftsspiele des Erstligisten Herisau besuchen, sagt Marcel Kull mit Überzeugung:

«Eishockey ist hier Kultur.»

Mehrmals hat er in den vergangenen Jahrzehnten mit Mitstreitern «grosse» Spiele im Sportzentrum organisiert. Die Verantwortlichen des Verbandes wissen, dass die Herisauer gute Gastgeber sind, so Kull. Der ehemalige Goalietrainer des HC Davos und TK-Chef des Ausserrhoder Hockeyvereins tippt auf einen 4:1-Sieg für die Schweiz. Mit Joren van Pottelberghe hütet sein ehemaliger Davoser Schützling das Schweizer Tor und zeigt eine gute Leistung.

Rückstand aufgeholt

«Ein Hockeydorf, was sonst!», sei Herisau, sagt Bruno Vattioni, auch er ehemaliger SCH-Spieler und aktuelle Geschäftsleiter der Säntis-Schwebebahn AG. Solche Spiele in der «Hockeyprovinz» seien wichtig.

In der 18. Minute sind es zuerst die Fans der Gäste, die jubeln dürfen. Die Gruppe aus Köln sieht, wie Dumont nach Zuspiel von Kammerer und «ihres» Ugbekile das 1:0 erzielt. Die Schweizer nehmen im Startdrittel viele Strafen, legen dann aber zu. Neuling Simic bringt die Gastgeber erstmals in Führung (29.).

2252 Zuschauer sehen im Sportzentrum den 4:2-Sieg der jungen Schweizer.

2252 Zuschauer sehen im Sportzentrum den 4:2-Sieg der jungen Schweizer.

Bild: Mea McGhee

Unter den interessierten VIP-Gästen weilt ein ehemaliger Bundesrat. Der einstige SCH-Präsident Hans-Rudolf Merz meint:

«Herisau ist auf dem Weg, wieder ein Hockeydorf zu werden.»

Man müsse die Jugend fürs Eishockey begeistern und es brauche ein gutes wirtschaftliches Hinterland. «Vorbilder holt man sich nicht bei den Laien», sagt Merz und betont, wie wichtig es sei, Austragungsort eines Länderspiels zu sein.

«Baby Shark», klingt es nach jedem der vier Schweizer Tore aus den Lautsprechern. Die Gastgeber zeigen insgesamt mehr Biss als ihre Gegner, da kann selbst der Kölner Hai Colin Ugbekile nichts ausrichten.

Wäsche waschen und «fetzeln»

SCH-Präsident Dario Heinrich und andere Vorstandsmitglieder sind als Helfer im Einsatz. «Es ist eine grosse Ehre für den Verein, innerhalb eines Jahres gleich zwei Länderspiele organisieren zu dürfen.» Heinrich windet den 130 Helferinnen und Helfern aus dem Umfeld des SCH ein Kränzchen. «Ohne ihren Einsatz wären solche Spiele nicht möglich.» Auch Jack Holderegger, der langjährige Betreuer der ersten Mannschaft, hat an diesem Tag viel zu tun und sagt: «Herisau ist und bleibt ein Hockeydorf.» Dann macht er sich daran, die Wäsche der Gäste zu waschen, während Nachwuchsspieler und Eltern in der Eishalle «fetzeln».