WATTWIL. Die Realisierung des Neubaus und der Sanierung des Spitals Wattwil rückt ein Stück näher. Der Kantonsrat hat am Mittwoch in erster Lesung die Spitalplanung gutgeheissen. 85 Millionen Franken sollen in Wattwil investiert werden.
Eine erste, hohe Hürde hat die Spitalplanung der Kantonsregierung am Mittwoch im Kantonsrat genommen. Erst am frühen Abend, nach einem langen, heftigen Wortwechsel und nachdem die SVP mit ihrem Vorschlag einer Zusammenlegung der Spitäler im Rheintal gescheitert war, kam auch das Spital Wattwil an die Reihe: Dort sind ein Neubau und eine Gesamtsanierung vorgesehen, die zusammen 85 Millionen Franken kosten sollen. Viel Diskussionsstoff schien das Landspital nicht herzugeben. In der Kommission war zwar noch davon die Rede, dass das Spital Wattwil aus der Sicht der flächendeckenden Gesundheitsversorgung nicht zwingend nötig sei. Es seien vorwiegend regionalpolitische Gründe, die für den Erhalt des Spitals sprächen. Aus diesen grundsätzlichen Bedenken liess sich aber niemand zur Forderung hinreissen, das Spital in Wattwil zu schliessen. Hinzu kam am späten Mittwochnachmittag auch noch die zeitliche Frage: Der Kantonsrat beschloss nämlich, auf den geplanten zusätzlichen Sessionstag am Donnerstag zu verzichten. Dies, weil die Spitäler Wattwil und Uznach unbestritten seien. So blieben denn die Voten zu den beiden Spitälern kurz. Eine Detaildiskussion wurde gar nicht erst benützt. Eine Abstimmung gab es auch nicht, weil kein Rückweisungsantrag gestellt wurde. Die Vorlage geht nun zurück an die Kommission und wird in zweiter Lesung in der Junisession noch einmal besprochen, bevor die Bevölkerung schliesslich im Herbst über die ganze Spitalvorlage abstimmen wird.
Sämtliche Fraktionen waren am Mittwoch für Eintreten. Als erster sprach Karl Brändle aus Bütschwil für die Fraktion der CVP-EVP. Er betonte vor allem die wichtige regionalpolitische Bedeutung des Spitals Wattwil. Hier würden «wichtige Arbeits- und Ausbildungsplätze angeboten, die gerade für die wirtschaftliche und auch finanzielle Entwicklung der Talschaft Toggenburg von grosser Bedeutung sind». Das Spital Wattwil leiste damit einen wichtigen Beitrag für einen attraktiven Standort Toggenburg. «Die ländlichen Regionen sind auf solche Faktoren angewiesen, um auch in Zukunft erfolgreich sein zu können.» Die Fraktionssprecherin der SP/Grünen, Susanne Hoare-Widmer aus St. Gallen, stimmte dem zu: Die Spitalplanung der Regierung sei insgesamt eine regionalpolitisch abgestützte Strategie. Denn die Bevölkerung habe sich schliesslich vor zehn Jahren deutlich an der Urne geäussert, dass die dezentrale Spitalversorgung «lieb und teuer» sei. Als Grüne schätze sie auch: «Die vorgeschlagene Spitalplanung fordert insgesamt keinen unnötigen zusätzlichen Landverbrauch, und die Vorlage ist in bezug auf Ressourcen und Energieverbrauch zukunftsgerichtet.» Beeindruckt sei sie zudem von der vorbildlichen Ausbildungspolitik der Spitalregion Fürstenland Toggenburg, und die Spezialisierung in Wattwil auf Akutgeriatrie und Alkoholkurzzeittherapie gäbe dem Spital ein Profil und liege vernünftig auf der Linie der regierungsrätlichen Netzwerklösung. Und: «Meine Gespräche zeigen, dass die Kader in den Spitälern diese Strategie unterstützen.»
Deutliche Bedenken äusserte Nils Rickert (Rapperswil-Jona) für die Fraktion GLP/BDP. Betriebswirtschaftlich rechne sich Wattwil nicht: «Aus der Vorlage ist ersichtlich, dass sich Wattwil mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht selbst wird tragen können.» Dafür wäre eine Zunahme der Fallzahlen im Umfang von 2,4 Prozent nötig. «De facto wird also innerhalb der Spitalregion 4 der Standort Wil den Standort Wattwil quersubventionieren müssen.» Trotzdem unterstütze die Mehrheit der GLP/BDP-Fraktion die Bauvorlage in Wattwil – «zur Unterstützung dieser strukturschwachen Region», begründete Nils Rickert. Region und Spitalverbund müssten nun den Beweis erbringen, dass der Standort Wattwil ohne negative Auswirkungen auf Wil gehalten werden könne. «Wir werden nicht bereit sein, einen Standort Wattwil später zusätzlich mit Steuergeldern zu stützen.» Die Region Toggenburg werde diesen Entscheid hoffentlich zu würdigen wissen «und ihn nicht einfach als eine weitere Selbstverständlichkeit verstehen».
SVP-Sprecher Christof Hartmann fasste sich hingegen sehr kurz und liess es mit «Eintreten» bewenden. «Hell begeistert vom Spital Wattwil waren aber nicht alle in der SVP-Fraktion», sagt Roman Brändle, Bütschwiler SVP-Kantonsrat. Einige hätten die Toggenburger Situation mit derjenigen im Rheintal verglichen und mit der Variante eines Neubaus geliebäugelt. Ein Rückweisungsantrag sei aber letztlich kein Thema gewesen. Denn die wirtschaftliche Bedeutung des Regionalspitals für das Toggenburg sei in der SVP-Fraktion unbestritten gewesen.
Für die FDP sprach Andreas Hartmann (Rorschach). Der Standort Wattwil war für seine Partei nie bestritten. «Vom Bedarf für eine Sanierung haben wir uns bei einem eigenen Augenschein überzeugt.» Hartmann fügt hinzu: «Wir sind überzeugt, dass das Toggenburg ein Spital braucht. Im Kanton St. Gallen hat man sich zudem an eine bevölkerungsnahe Spitalversorgung gewöhnt. Alles andere ist nicht mehrheitsfähig.» Die Neckertaler FDP-Kantonsrätin Vreni Wild interpretiert die deutliche Mehrheit für das Gesamtpaket der Spitalplanung auch mit dem zeitlichen Argument: Die Mehrheit der Kantonsräte wolle für die Erneuerung der Spitalinfrastruktur nicht noch mehr Zeit verlieren. Sie blieb am Mittwoch bis zum Ende der Debatte im Rat: «Wir Toggenburger gingen zwar davon aus, dass das Spital Wattwil unbestritten ist. Aber man muss jeweils trotzdem gefasst sein und auf ein mögliches Infragestellen reagieren können.» Die Toggenburger Kantonsräte hätten sich in einem solchen Fall nochmals mit deutlichen Worten für das Spital in Wattwil eingesetzt. Für die zweite Lesung in der Junisession sind sich die Fraktionssprecher einig: Es wird eine unbestrittene Formsache.