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In einem offenen Brief verlangt die Appenzeller Wind AG, dass der Grosse Rat umgehend über die Festsetzung des Windkraftstandortes Honegg im Richtplan entscheiden soll. Ob dieser Schritt in der Juni-Session möglich ist, hängt auch vom Bundesgericht ab.
Wegen des Ukraine-Kriegs wächst weltweit die Angst vor einer Energiekrise und einer Versorgungslücke. Ein Ausweg aus der Abhängigkeit von Öl- und Gasimporten könnte die stärkere Nutzung erneuerbarer Energien sein. Dies findet auch die Appenzeller Wind AG, welche in Oberegg ein Windenergieprojekt realisieren will. In einem offenen Brief mit dem Titel «Wann, wenn nicht jetzt?» wendet sich der Verwaltungsrat des Unternehmens an die Standeskommission. Er zeigt sich im Schreiben «schwer enttäuscht» darüber, dass es beim geplanten Vorhaben nicht zügiger vorwärtsgeht.
Rückblick: Im Mai 2019 wurde die Initiative Pro Wind Oberegg eingereicht. Der Grosse Rat beauftragte die Standeskommission, einen Gegenvorschlag auszuarbeiten. Das Komitee zog ihre Initiative in der Folge zurück. Am
9. Mai 2021 sagten die Stimmberechtigten Ja zum Gegenvorschlag. Demnach muss der Kanton die rechtlichen und planerischen Voraussetzungen schaffen, dass in Innerrhoden bis 2025 mindestens 10 Gigawattstunden pro Jahr Strom aus Windenergie produziert werden können. Faktisch lässt sich dieses Ziel nur mit dem bereits ausgearbeiteten Projekt in Oberegg erreichen. Gemäss der neuen Bestimmung soll zudem nicht mehr die Standeskommission, sondern der Grosse Rat für die Festsetzung des Standorts Honegg im Richtplan zuständig sein. Dabei ist die dafür notwendige Interessenabwägung die Versorgungssicherheit mit elektrischer Energie mindestens gleich stark zu gewichten wie die Anliegen des Landschaftsschutzes.
Die Appenzeller Wind AG will das Projekt im Gebiet Honegg nach eigenen Angaben rasch umsetzen. Sind die Planungsverfahren abgeschlossen, könne mit dem Bau innert weniger Monate begonnen werden, betont der Verwaltungsrat im Schreiben. Mit den zwei geplanten Windturbinen in Oberegg liesse sich 13 Prozent des gesamten Innerrhoder Stromverbrauchs produzieren. Die explodierenden Gas-, Öl- und Strompreise sollten Warnung genug sein, angesichts der grossen Verletzlichkeit der Schweizer Energieversorgung unabhängiger vom Ausland zu werden, schreiben die Initianten.
«Das Windenergieprojekt leistet einen wesentlich grösseren Beitrag zur Versorgungssicherheit als die von Privaten in Innerrhoden erstellten Fotovoltaikanlagen.»
Nach Ansicht des Verwaltungsrates der Appenzeller Wind AG hätte die Richtplanfestsetzung bereits in der März-Session erfolgen können. Dies war allerdings nicht möglich, wie Landammann Roland Dähler auf Anfrage erklärt. Denn gegen die Abstimmung über den Gegenvorschlag ist beim Bundesgericht eine Beschwerde eingereicht worden. Mit dieser wird bestritten, dass der Kanton die im Energiegesetz enthaltenen Neuerungen erlassen darf. Gemäss Dähler haben die Richter in Lausanne, entgegen der Darstellung im offenen Brief, in dieser Sache noch keinen Entscheid getroffen.
«Solange die Beschwerde hängig ist, kann der Grosse Rat wohl die Interessenabwägung vornehmen, die eigentliche Festsetzung im Richtplan kann jedoch erst nach dem Entscheid des Bundesgerichtes erfolgen.»
Eine Behandlung dieses Geschäfts in der März-Session, wie von der Appenzeller Wind AG gefordert, sei aufgrund der umfangreichen Vorbereitungen durch den Grossen Rat jedoch nicht möglich gewesen. Falls die Beschwerde gutgeheissen wird, wäre nicht der Grosse Rat, sondern die Standeskommission für die Festsetzung des Windkraftstandortes Honegg zuständig, sagt der Landammann.
So weit ist es aber noch nicht. Das Bundesgericht hat kürzlich lediglich seinen Entscheid zur Stimmrechtsbeschwerde gegen die Urnenabstimmung im letzten Jahr zugestellt. Drei Innerrhoder Bürger wehrten sich damit gegen die Absage der Landsgemeinde. Das Bundesgericht wies ihre Beschwerde jedoch ab.
Zurzeit ist geplant, die Interessenabwägung in der Juni-Session vorzunehmen. Als Interessen stehen das Energiepotenzial eines Orts, die Abstimmung mit den Nachbarkantonen hinsichtlich der Konzentration von Anlagen, der Landschafts- und Umweltschutz sowie mögliche Konflikte mit den umliegenden Siedlungen im Vordergrund. Die Standeskommission hat Mitte März die Botschaft zu diesem Geschäft für die Beratung im Grossen Rat verabschiedet. Weil das Innerrhoder Kantonsparlament im Zusammenhang mit der Windkraftanlage auf der Honegg erstmals direkt über eine Richtplanfestsetzung entscheiden muss, sei für die Vorberatung des Geschäfts durch die zuständige grossrätliche Kommission mehr Zeit als üblich eingeplant worden, sagt Dähler.