Das Appenzellische Jahrbuch: Ein Buch zum Schmökern und Staunen

Dieser Tage ist das neue Appenzellische Jahrbuch erschienen. Hauptthema der 145. Ausgabe ist die Reformation. Ein Ereignis, das hierzulande einiges ausgelöst hat.

Karin Erni
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Die frei gestaltete Kirchturmlandschaft des Appenzellerlandes in einer Miniatur von Jakob Girtanner (1527–1600), datiert 1586. Im Vordergrund Appenzell, der Hauptort des damals noch ungeteilten Landes, oben rechts Herisau. (Bild: Landesarchiv Appenzell Innerrhoden, Appenzell)

Die frei gestaltete Kirchturmlandschaft des Appenzellerlandes in einer Miniatur von Jakob Girtanner (1527–1600), datiert 1586. Im Vordergrund Appenzell, der Hauptort des damals noch ungeteilten Landes, oben rechts Herisau. (Bild: Landesarchiv Appenzell Innerrhoden, Appenzell)

Fast jedes Kind weiss, warum das Appenzellerland in zwei Kantone aufgespalten ist. Doch wie es dazu kam und wie die damaligen Vorgänge von Reformation und Gegenreformation bis heute nachwirken, lässt sich in der jüngst erschienenen 145. Ausgabe des Appenzellischen Jahrbuchs nachlesen. Kantonsbibliothekarin Heidi Eisenhut hat das Werk gemeinsam mit dem Journalisten Hanspeter Spörri erarbeitet. Sie erklärt, wie die Idee zum Buch entstanden ist.

«Das 500-Jahr-Jubiläum der Reformation inspirierte uns dazu, zurückzuschauen und die besonderen Vorgänge der Reformationszeit im Appenzellerland zu beleuchten, aber auch zu fragen, was die Leute heute denken über Gott und die Kirchen.»

Heirat im Frauenkloster und andere Geschichten

Als Einführung in das Thema zeigt der Herisauer Historiker Thomas Fuchs in komprimierter Form auf, was im 16. Jahrhundert im Appenzellerland passierte. 1523 berichtet der Teufner Pfarrer Jakob Schurtanner voller Freude an den St. Galler Stadtreformator Vadian, dass «der Rat des Landes Appenzell das reine Gotteswort angenommen hat». Das ist vergleichsweise früh, die Stadt St. Gallen war erst ein halbes Jahr später soweit. Die Reformationszeit war turbulent. Stellenweise lesen sich die Geschehnisse wie ein Krimi. Ein geplantes Glaubensgespräch in Appenzell musste abgesagt werden, weil es im Vorfeld zu Krawallen kam. Das Frauenkloster Wonnenstein bei Teufen wurde kurzzeitig von 100 Männern besetzt, und der Kaplan verheiratete sich mit einer der Schwestern. Ruhe brachte der Landsgemeindebeschluss von 1525, der es erlaubte, die Glaubensfragen den Kirchgemeinden zu überlassen. Alle, ausser Appenzell und Herisau, erklärten die Annahme der neuen Lehre. Vier Jahre später folgten auch die Herisauer. Ab 1560 schlug das Pendel mit der Gegenreformation wieder in die andere Richtung, und das Experiment des gemischtkonfessionellen Staatswesens fand 1597 mit der Landteilung ein Ende.

«Es ist erstaunlich, dass all diese Vorgänge ohne Blutvergiessen abgegangen sind»

sagt Heidi Eisenhut. Den damals geschlossenen Vertrag bezeichnet sie als modern: «Er sagt, dass die Landteilung nur so lange dauern soll, wie es beiden Teilen gefällt. Eine Wiedervereinigung wäre also jederzeit möglich.»

Gespräche über Gott und die Welt

Doch die Verfasser des Jahrbuches lassen es nicht bei der Historie bewenden. Hanspeter Spörri führt Gespräche über «Gott und die Welt» mit Pfarrpersonen, einer Theologiestudentin und einer Ordensschwester. Sie alle werden in ganzseitigen Fotos in teilweise eher ungewöhnlichen Situationen porträtiert. Doch auch Laien dürfen sich im Buch zum Thema Gott und Kirchen äussern. 80 Mitglieder der Appenzellische Gemeinnützige Gesellschaft AGG wurden um Mitwirkung angefragt. Zwanzig Männer und zehn Frauen aus ganz unterschiedlichen Lebensbereichen haben sich bereit erklärt, ihre persönlichen Gedanken niederzuschreiben. Fast alle sind bekannte Gesichter, was die Aussagen nicht weniger spannend macht.

«Die Texte zeigen, dass heute ein sehr individueller Zugang zur Religion gepflegt wird»

sagt Heidi Eisenhut. «Man geht kaum mehr in die Kirche, ist aber deswegen nicht weniger religiös.»

Wichtiges Gedächtnis

Chroniken und Nekrologe sind gemäss Heidi Eisenhut die am meisten nachgeschlagenen Texte der Jahrbücher seit 1854. Auf fast 90 Seiten eingedampft findet der Leser hierin die wichtigsten Geschehnisse aus den Kantonen und Gemeinden. Nachrufe würdigen verstorbene Persönlichkeiten. Den Schluss des Buchs bilden verschiedene Informationen, unter anderem über die AGG, die das Werk herausgegeben hat.

Hinweis

Das Jahrbuch kann über den Buchhandel oder die AGG unter info@aggesellschaft.ch bezogen werden. Das Archiv ist zugänglich unter www.appenzelldigital.ch/appenzellische-jahrbuecher.