Der Herisauer Dölf Alpiger versuchte am Mittwoch, alle Skilifte im Appenzellerland innerhalb von einem Tag zu benützen. Wir haben ihn begleitet und dabei viel über die Freuden und Leiden der hiesigen Skiliftbetreiber erfahren. Auch eine Weltmeisterin haben wir angetroffen.
APPENZELLERLAND. Die Skiliftbetreiber im Appenzellerland essen ein hartes Brot. Im Voralpengebiet sind schneereiche Tage selten geworden. Ausserdem ist die Konkurrenz durch die grossen Destinationen gross. Dass es sich lohnt, auch die hiesigen Lifte zu benutzen, zeigt ein Versuch von Dölf Alpiger. Schon lange hegte der 44jährige Herisauer den Wunsch, alle Skilifte im Appenzellerland an einem Tag zu benützen. Am Mittwoch liessen es die Verhältnisse endlich zu. Wir haben ihn bei dieser Aktion begleitet und ihn von Ort zu Ort chauffiert.
Den ersten Lift, den wir kurz vor 9 Uhr anpeilen, ist das «Bömmeli». Als ehemaliger Nachwuchstrainer des Ostschweizerischen Skiverbandes (OSSV) kennt Dölf Alpiger den Hang gut. Schon oft hat er hier trainiert. «Am liebsten würde ich einige Tore stecken», sagt er. Für solche Spässe hat er freilich keine Musse. Die Zeit drängt. Um 13 Uhr müssen wir spätestens in Oberegg sein, ansonsten können wir nicht das ganze Programm bewältigen. Trotzdem halten wir einen kurzen Schwatz mit dem neuen Betriebsleiter Willy Steuble. Er zeigt uns auch das renovierte Restaurant.
Zweite Station ist der «Alpsteinblick» in Gonten. Ein Lift, an dem man gut mit den «Goofen» das Skifahren lernen kann. Einige sind denn auch schon mit Skilehrer Roland Küng – er ist der Bruder der Weltcupfahrerin Mirena Küng – unterwegs. Alpiger nimmt sein Vorhaben ernst und fährt auch den Kinderparcours runter – fehlerfrei.
In der «Osteregg» in Urnäsch steht ein Wiedersehen an. Betriebsleiterin Brigitte Schoop stammt wie Alpiger ursprünglich aus dem Toggenburg. Mit dem ehemaligen Rennfahrer Karl Alpiger ist er übrigens nicht verwandt. «Er ist ein Wildhauser Alpiger, wir St. Johanner. Das ist ein Unterschied wie Inner- und Ausserrhoden», scherzt er. Die Osteregg verfügt über «rote Pisten», stellt also für Kinder bereits eine kleine Herausforderung dar. Neuerdings wird in der «Osteregg» versucht, Kunstschnee zu produzieren. Ein Trend, der auch an anderen Liften im Appenzellerland zu beobachten ist. «Wir erhoffen uns vor allem im unteren Bereich eine Verbesserung», so Brigitte Schoop.
Anschliessend reisen wir nach Brülisau weiter, wo der Skilift erst am Nachmittag in Betrieb genommen wird. Deshalb nimmt Alpiger die Ski kurzentschlossen auf die Schulter und macht sich zu Fuss auf Richtung Gipfel. Kaum ist er oben, trifft auch schon Mitbetreiber Johann Dörig ein. Er berichtet aus der wechselvollen Geschichte des Lifts. 1965 gegründet, gelangte der Lift nach finanziellen Engpässen in die Hände eines Spekulanten. Vor 19 Jahren übernahm dann schliesslich die heutige Betreibergesellschaft das Zepter. Er verweist auf einen alten Artikel unserer Zeitung, der neben der Kasse hängt und in dem dies festgehalten sei. Alpiger kehrt mit einem begeisterten Zungenschnalzen vom Berg zurück. Er macht gleich nochmals eine Fahrt – dieses Mal nimmt er den Lift.
Dann geht es weiter zur Ebenalp, wo Betriebsleiter Sepp Manser frohlockt: «Die Verhältnisse könnten kaum besser sein!» Auf der Ebenalp habe es viel Schnee und Sonnenschein. Die Temperatur liege bei null Grad, im Tal hat es minus 15. Sobald er die Lifte auf der Ebenalp absolviert hat, fährt Dölf Alpiger zum Skilift Horn in die Schwende hinunter. Als Genossenschafter darf er sich hier sogar etwas als Eigentümer fühlen. Die beiden Skibetriebe, «Ebenalp» und «Horn», können mit demselben Billett benützt werden, auch der Zug ist inbegriffen.
Obwohl es aufgrund der tollen Verhältnisse fast schade ist weiterzureisen, geht es weiter nach Gais. Der Lift beim Restaurant Truube würde eigentlich erst am Nachmittag laufen. Doch Thomas Manser, der ansonsten mit seiner Frau Silvia das Gault-Millau-Lokal führt, lässt eigens für Dölf Alpiger den Lift laufen. Der pittoreske und bewaldete Hang entlockt Alpiger das Urteil «gääch». Hier geht es noch über Stock und Stein ins Tal hinunter. Es macht ihm aber sichtlich Spass.
Anschliessend dislozieren wir ins Vorderland. Irgendwo im Schatten unten vermuten wir die Talstation des Skilifts. Es erwartet uns stattdessen die pure Bilderbuchidylle. Die Sonne strahlt, und der Schnee funkelt. Dölf Alpiger ist vom Skilift am Bischofsberg begeistert. «Es gibt schöne Pisten und sogar einen Fun-Park», sagt er. Würde er etwas näher wohnen, er wäre wohl bald Stammgast. Nicht weit vom Bischofsberg entfernt liegt der Skilift Oberegg-St. Anton. Die Talstation liegt hier tatsächlich im Loch unten, doch der Lift – er gehört neuerdings zum Inventar der technischen Kulturdenkmäler von nationaler Bedeutung – führt bis oben auf den St. Anton. «Leider trübte der Nebel die schöne Aussicht», so Alpiger. In Oberegg sind gerade Schulferien, entsprechend viele Kinder sind unterwegs. Was auffällt: Alle tragen einen Helm. Die Zipfelmützen gehören rüstigen Veteranen
Von Oberegg geht's nach Grub. Auf dem Parkplatz läuft uns die Riesenslalom-Weltmeisterin von 2001, Sonja Nef, in die Arme. Sie ist gleich neben dem Lift aufgewachsen und hat ihre Tochter Anna mit dabei. Alpiger kennt Sonja Nef schon seit längerer Zeit. «Jetzt können wir endlich wieder einmal gemeinsame Fahrt machen», freut er sich. Und schon entschwinden die beiden im glitzernden Weiss. Es dauert allerdings nicht lange, bis sie wieder unten auftauchen. Auch das Töchterchen ist in flottem Tempo unterwegs. Ob hier wohl eine künftige Weltmeisterin heranwächst? Alpiger fährt derweil nicht zum Parkplatz, sondern direkt auf die Terrasse der Eltern von Sonja Nef. Bei aller Eile muss ein Gruss drinliegen.
Nicht minder prominenter Empfang erwartet uns in Trogen. Hansruedi Laich, ehemals Direktor von Swiss Ski, hilft beim Anbügeln am Lift, der unweit des Kinderdorfes Pestalozzi liegt. Der Präsident des Skiclubs Trogen spendiert sogar einen Kafi, dem etwas «Benzin» beigemischt ist. Alpiger leert das Glas zügig, schliesslich müssen wir weiter zum Skilift Vögelinsegg in Speicher. Alle Parkplätze sind bei unserer Ankunft besetzt; der Lift wäre aber auch mit der Trogenerbahn gut zu erreichen. Vor dem Lift hat sich eine lange Kolonne gebildet. Hier im Speicher herrscht mächtig Betrieb. Es ist aber auch schön; von Eiseskälte kann keine Rede sein – und das liegt nicht an den Nachwirkungen des Kafis. Es ist übrigens der einzige Skilift, an dem Dölf Alpiger für die Fahrt bezahlen muss. Die 1.90 Franken kann er allerdings verschmerzen. Sowieso zeigt die Umfrage: Skifahren im Appenzellerland ist eine preiswerte Angelegenheit. Am teuersten ist das vergleichsweise grosse Gebiet «Ebenalp», wo die Tageskarte für Erwachsene 33 Franken kostet. Für Familien haben sie wie andernorts auch spezielle Vergünstigungen.
Unsere Aktion setzen wir am Skilift Blatten in Speicher fort. Es ist ein Schlepplift für Kinder, ideal um die ersten Erfahrungen zu sammeln. Anschliessend ist die «Sollegg» in Appenzell an der Reihe; dieser Lift öffnet erst nachmittags. Man könnte meinen, es liege viel Schnee. Nicht so in Appenzell. Die «Sollegg» konnte erst am letzten Samstag die Saison beginnen. «Der Schnee ist so locker, wenn wir mit der Maschine reinfahren, ist er weg», sagt Betriebsleiter Richard Zeller. Dabei wäre die Sollegg ein weitläufiges Gebiet mit unterschiedlichen Pisten. Das Geschäft läuft aber wie an vielen anderen Orten mehr schlecht als recht. Bei den Betreibern ist meistens viel Idealismus im Spiel. Aufgrund der nackten Zahlen müssten die meisten Skilifte wahrscheinlich schliessen. Es wäre ein Verlust, wie der Versuch von Dölf Alpiger zeigt.
Er ist auch beim Schlussspurt noch mit Enthusiasmus dabei. In Schwellbrunn stehen zwei Lifte an. Per Telefon werden die Liftbetreiber vorgewarnt, dass wir im Anmarsch sind. Beim Skilift Landscheide-Sitz haben wir Glück – er ist noch offen. Am Risi-Lift erfolgt der Betriebsschluss jedoch pünktlich. Pech gehabt – wenigstens kann Dölf Alpiger noch die Piste runterfahren.
Das Finale erfolgt am Hörnli-Lift im Bächli. Er liegt zwar strenggenommen schon auf St. Galler Boden. Doch die Kantonsgrenze ist nah, und Betreiber Hans Brunner wohnt in Schönengrund. Auch er ist mit Leidenschaft dabei. Er sei lediglich froh, wenn Ende Saison jeweils die Unkosten gedeckt seien, sagt er. Doch es ist ein unberechenbares Business. «Im letzten Jahr habe ich um diese Jahreszeit die Saison beendet. Heuer geht sie erst jetzt los.»