Anonyme «Klima-Kleber» auf St.Galler Wahlplakaten: FDP prüft rechtliche Schritte – und wird von den Grünen kritisiert

Am Dienstag haben die Umweltverbände ein Rating zur Umweltfreundlichkeit von Wahlkandidaten veröffentlicht. Heute nun sind auf Wahlplakaten Aufkleber mit Zahlen aus dem Rating aufgetaucht. Die FDP ist verärgert, die Grünen verstehen die Aufregung nicht.

Adrian Vögele
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Orange «Klima-Kleber» auf einem FDP-Plakat. (Bild: PD)

Orange «Klima-Kleber» auf einem FDP-Plakat. (Bild: PD)

Das ging schnell. Die Umweltallianz, ein Zusammenschluss von WWF, Pro Natura, Greenpeace und VCS, veröffentlichte am Dienstag ein Politiker-Rating. Darin wird die Umweltfreundlichkeit der Politiker in Prozentzahlen angegeben. In der Nacht auf Mittwoch wurden Aufkleber mit Daten aus dem Rating auf Wahlplakaten in der Region angebracht. So findet sich beispielsweise der Hinweis «22 Prozent klimaverträglich» auf Plakaten der FDP. Gemäss dem Rating der Umweltallianz hat die FDP-Fraktion im Nationalrat in den letzten vier Jahren zu 22 Prozent umweltfreundlich abgestimmt.

Das Ostschweizer Regiobüro des WWF hatte am Dienstag eine regionale Auswertung des Umweltratings publiziert. Der WWF sei aber nicht Urheber der Sticker-Aktion, wie Geschäftsführer Lukas Indermaur mitteilt. Auch die nationale Umweltallianz sei nicht darüber informiert gewesen. Dies, obwohl auf den Stickern in kleiner Schrift die Webseite des Umweltratings angegeben ist. Ebenso wenig sind die Grünen des Kantons St.Gallen an der Aktion beteiligt, wie Präsident Thomas Schwager sagt.

Schweizweite Aktion von Klimaschützern

Auf den Klebern ist ausserdem die Webseite letztewahl.ch genannt. Dort rufen Unbekannte zum klimafreundlichen Wählen auf, auch grafische Vorlagen für die Sticker sind zu finden – mit verschiedenen Prozentzahlen und verschiedenen Farben. Auf der Webseite wird auf das Rating der Umweltallianz Bezug genommen, zugleich heisst es aber: «Diese Aktion wurde nicht von der Umweltallianz geplant und durchgeführt, sie ist unabhängig entstanden.» Das Motto «Letzte Wahl» verwendet auch die Klimastreik-Bewegung, zudem sind auf der Webseite Fotos von Klimademonstrationen zu sehen.

Das Kollektiv Klimastreik Ostschweiz sei nicht für die Aktion verantwortlich, sagt Sprecherin Miriam Rizvi. Sie weiss dennoch Genaueres: Einzelne Klimaschutzaktivisten aus St.Gallen und Umgebung hätten die Kleber angebracht. Die Sticker-Aktion laufe schweizweit, und sie betreffe Plakate verschiedener Parteien.

FDP: «Unrechtmässig und demokratiefeindlich»

Die FDP Kanton St.Gallen zeigt sich in einer Medienmitteilung verärgert. Man vermute «grüne Kreise und Klimaaktivisten» als Urheber. «Mit dieser Aktion haben besagte Gruppen gezeigt, dass sie aus politischen Gründen auch vor fremdem Eigentum nicht Halt machen. Das ist trotz jugendlichem oder grünem Eifer nicht zu entschuldigen.» Die FDP prüfe deshalb rechtliche Schritte. Die Partei stellt die Methodik der Umweltratings grundsätzlich in Frage. «So ist nur klimafreundlich, wer für Verbote und massive staatliche Eingriffe stimmt. Wer sich für Innovationen und nachhaltig finanzierbare Lösungen einsetzt, erhält schlechte Noten.»

Die FDP beobachtet den Umgang mit Wahlwerbung mit grosser Sorge, wie sie weiter schreibt – und erinnert an sexistische Schmierereien, mit denen im Frühjahr Plakate von Ständeratskandidatin Susanne Vincenz-Stauffacher verunstaltet wurden. Die Freisinnigen rufen zu einer «harten, aber sachlichen Diskussion» auf. Die erwähnten Aktionen im Verborgenen seien unrechtmässig und demokratiefeindlich.

Grüne: «Weder falsch noch ehrenrührig»

Die Grünen sehen das Ganze weniger dramatisch. Die Aussage, dass die FDP zu 22 Prozent klimaverträglich sei, sei «weder falsch noch ehrenrührig», heisst es in einer Mitteilung der Partei. Die Kleber würden «etwas mehr Transparenz zu den politischen Inhalten in einer ganz entscheidenden Zukunftsfrage» schaffen. «Wer wie die FDP dringend notwendige Massnahmen zum Klimaschutz noch immer als ‘sozialistische Umverteilungs- und Verbots­träume’ abtut, hat schlicht den Ernst der Lage nicht erkannt», so die Grünen.

Das wiederum lässt die FDP nicht auf sich sitzen. Das Transparenz-Argument tue nichts zur Sache, schreibt die Partei. «Die Grünen haben offensichtlich keinen Respekt vor dem Eigentum anderer. Das zeigen sie mit ihrer Reaktion.»