Als Richter in der Mitte

ST.GALLEN. Seine Position als Richter gefällt ihm: In der Mitte stehen und sich bemühen, der Wahrheit möglichst nahezukommen. Rolf Brunner präsidiert neu das St.Galler Kantonsgericht – als erster Richter mit dem Parteibuch der SVP.

Regula Weik
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Rolf Brunner, neuer Präsident des St. Galler Kantonsgerichts. (Bild: Michel Canonica)

Rolf Brunner, neuer Präsident des St. Galler Kantonsgerichts. (Bild: Michel Canonica)

Rolf Brunner spricht ruhig und überlegt. Er ist kein Polterer, mag keine lauten Auftritte, haut nicht auf den Tisch. Er mag gesellige Runden, er fühlt sich wohl als Richter und als Feuerwehrmann und ist im Toggenburg daheim. «Trotz meines Sprachfehlers.» Er lacht. Brunner wuchs im Bernbiet auf – es ist hörbar. Doch die familiären Wurzeln reichen in den Kanton St. Gallen hinein; der Vater ist Toggenburger, die Mutter Bernerin.

«Das Ländliche ist mir lieber als das Städtische», sagt Brunner. So bestieg er auf Wohnungssuche in St. Gallen den Zug Richtung Toggenburg, stieg an jeder Station aus und schaute sich um, Degersheim, Mogelsberg, Brunnadern, Lichtensteig, Wattwil. Er blieb in Mogelsberg hängen. «Die Hanglage hat es mir angetan.»

Rascher Aufstieg

Brunner scheint so rasch nichts aus der Ruhe zu bringen. Auch nicht die Mehrbelastung durch das Gerichtspräsidium. «Es ist eine Ehre.

» Er werde an den Wochenenden wohl öfter im Büro anzutreffen sein und nachts im Bett Notizen machen, wenn er «einen guten Einfall» für eine Rede habe. «Ich bin nicht verheiratet, ich habe keine Kinder.»

Brunner ist nach Amtsjahren das zweitjüngste Mitglied des Kantonsgerichts; 2007 war er ins Gremium gewählt worden. Nun hat er bereits das Präsidium inne – wenn auch nur für ein gutes Jahr.

Das Präsidium ist auf zwei Jahre beschränkt und Brunner rückt für Martin Baumann nach, der aus privaten Gründen zurücktrat. Sein Aufstieg hänge mit der Altersstruktur des Kantonsgerichts zusammen – «und so wurde dem Jüngsten rasch der Vortritt gelassen». Brunner ist Jahrgang 1967.

Diener des Rechts

Brunner fühlt sich sichtlich wohl am Kantonsgericht St. Gallen.

Nach dem juristischen Studium an der Universität Bern hatte er Praktika am Kantonsgericht und auf dem Untersuchungsamt St. Gallen absolviert, als Gerichtsschreiber der Verwaltungsrekurskommission gewirkt und später das kantonale Anwaltspatent gemacht.

Als Richter stehe er in der Mitte zwischen den Parteien. Seine Aufgabe sei es, «möglichst nahe an die Wahrheit heranzukommen» und nicht – wie in seiner früheren Tätigkeit als Anwalt – «die einseitige Interessenvertretung».

Als Richter versteht sich Brunner als Diener des Rechts; als Anwalt sei er Diener eines einzelnen Herren gewesen – «angestellt, das Maximum für ihn herauszuholen – ohne Skrupel.»

Allgemeinpraktiker

In seiner Kanzlei in Wattwil – er gab sie vor drei Jahren mit der Wahl zum Kantonsrichter auf – sei er «Allgemeinpraktiker» gewesen, zieht Brunner den Vergleich mit der Medizin. Scheidungen, Führerausweis-Entzüge – «die Leute klopften mit ihren konkreten Problemen an».

Nach einer Pause: «Juristerei macht dann Spass, wenn sie mit Leuten zu tun hat – und es nicht um l'art pour l'art geht.» Trotzdem überlegte er nicht lange, als die Berufung ans Gericht kam. «Es fehlte mir der fachliche Austausch im Büro.» Brunner hatte die Kanzlei allein betrieben.

Entscheidender als die Partei

Brunner war seinerzeit der erste SVP-Vertreter im Kantonsgericht; mit ihm hält die grösste St. Galler Partei nun auch erstmals das Präsidium.

Er selber findet biographische Hintergründe entscheidender als das Parteibuch – etwa die Herkunft aus einer Arbeiter- oder Unternehmerfamilie, «wenn denn überhaupt ein Einfluss auszumachen ist». Er ist überzeugt: «Juristen denken in Grundsätzen und ziehen diese auch durch; Wertungen sind weniger bedeutend.» Heute ist Brunner einfaches Parteimitglied; als Kantonsrichter könne er «nicht in der ersten Reihe der Partei» mitmachen. Er war Vorstandsmitglied, später Präsident, dann Kassier der SVP-Neckertal gewesen.

Recht und Gerechtigkeit

Auf dem Regal in seinem Rücken türmen sich Gesetzesbücher. Ist das Gesetz immer gerecht? «Der Richter ist beim Sachverhalt, beim Ereignis nie dabei gewesen», sagt Brunner. «Er bildet sich seine Meinung aufgrund der Akten. Umso wichtiger ist, dass das Verfahren fair ist. Wenn die Parteien es als solches empfinden, ist die Akzeptanz des Urteils hoch.» Dann sagt er: «Richter sind keine Übermenschen.»