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Ostschweiz
Die St.Galler Regierung führt eine Maskenpflicht für das Servicepersonal und bei Veranstaltungen mit mehr als 30 Personen ein. In Bars und Clubs muss sitzen, wer etwas konsumiert, und das Tanzen ist verboten.
Viele halten die neuesten Entscheide der St.Galler Regierung gegen die Coronapandemie für «sehr vernünftig», wie die Onlinekommentare auf Facebook nach der Medienorientierung vom Freitagnachmittag vermuten lassen. Aber es wird auch geflucht. Von «purer Schikane und reiner Willkür» ist die Rede. «Alles, was sozial ist und Spass macht, wird unterbunden». Verboten hat die Regierung nämlich das Tanzen. In Clubs, Bars und Konzertlokalen gilt: Wer trinkt, sitzt. Wer steht, trägt Maske. Eine Maskenpflicht hat die St. Galler Regierung auch für das Servicepersonal und für Veranstaltungen beschlossen, bei denen mehr als 30 Personen in einem geschlossenen Raum zusammenkommen. Die neuen Regelungen gelten ab Samstag und vorerst bis Ende Jahr.
Die Fälle nähmen im Kanton St. Gallen stark zu, sagte Bruno Damann, Vorsteher des Gesundheitsdepartements im Pfalzkeller vor den Medien. In den vergangenen sieben Tagen sind im Kanton 724 Personen mit dem Virus infiziert worden. Es befinden sich 33 Personen in Spitalpflege, sieben sind auf der Intensivstation, vier davon werden beatmet. Zwar gebe es nach wie vor wenige Todesfälle, und auch die Spitäler hätten noch viele leere Betten. Rund 100 Personen könnten notfalls auf der Intensivstation beatmet werden. Die nun beschlossenen Einschränkungen seien aber nötig, um das oberste Ziel, die Erhaltung des Gesundheitswesens, nicht zu gefährden. Denn neben der Anzahl der Neuansteckungen sei auch die Positivitätsrate massiv angestiegen. Der Anteil positiver Tests liegt bei 15 Prozent.
«Die Regierung möchte sicherstellen, dass für alle Personen, die wegen einer Infektion mit dem Coronavirus medizinische Betreuung benötigen, auch genügend freie Betten bereitstehen.» Probleme bereiten würden insbesondere private Veranstaltungen wie Familienfeste sowie Orte, wo getanzt und getrunken werde. In Schulen und Geschäften hingegen bestehe eine geringere Ansteckungsgefahr. So stehe man in Läden kaum länger als 15 Minuten beieinander. Weiter sei das Contact-Tracing relativ stark am Anschlag.
«Wir wollen die persönliche Freiheit so wenig wie möglich einschränken und nur solche Einschränkungen beschliessen, die aus medizinischer Sicht eine Verbesserung der Lage versprechen», sagte Damann. Beim Ausflug mit dem Fussballklub, beim Singen im Chor, am Turnerabend, an Hochzeitsfesten, Konzerten und Apéros habe bisher ein Schutzkonzept gefehlt, das mit der Schutzmaskenpflicht ab 30 Personen nun eingeführt werde. Die Maskenpflicht gilt auch für Gruppen unter 30 Personen, wenn die Abstandsregeln nicht eingehalten werden können.
Weiter atme man beim Tanzen viele Aerosole aus, in denen sich Viren befinden können. Dass das Tanzen in Clubs und Bars verboten werde, sei zwar hart. «Bars und Clubs sind davon stark betroffen. Aber wir müssen Massnahmen ergreifen und uns solidarisch zeigen.» Weiterhin erlaubt bleibt das Tanzen in Fitnessstudios, Sportvereinen und Tanzschulen, wenn der Mindestabstand eingehalten werden kann. Auf eine allgemeine Maskenpflicht oder das Verbot von Grossveranstaltungen verzichtet die Regierung. Daten hätten gezeigt, dass sich die Leute praktisch nie in Geschäften oder in Museen mit dem Coronavirus ansteckten. Zudem verfügten sowohl der FC St. Gallen als auch der Eishockeyclub Rapperswil Jona Lakers über gute Schutzkonzepte.
Man wolle die Leute nicht in ihren eigenen vier Wänden kontrollieren, appelliere jedoch an die Eigenverantwortung. Damann sagte:
«Wir sind alle im gleichen Team, müssen zusammenhalten und Rücksicht nehmen.»
Einen zweiten Lockdown würde die Wirtschaft nicht sicher überleben. Auch Regierungsrat Fredy Fässler, Vorsteher des Sicherheit- und Justizdepartementes, betonte: «Wir wollen keinen Polizeistaat einrichten. Aktuell verzichten wir auf Ordnungsbussen.» Bei Verstössen gegen die Coronaregeln – insbesondere das Nichteinhalten des Mindestabstandes – verteilte die Polizei während des Lockdowns Bussen. Neu könne man jedoch bei der Staatsanwaltschaft verzeigt werden, wo Bussen bis zu 10'000 Franken möglich seien. «Wir müssen die deutlichen Signale, die das Virus aussendet, ernst nehmen», sagte Fässler.
Die Regierung stützt ihren Entscheid auf die Daten aus dem Contact-Tracing. Demnach geschehen die meisten Ansteckungen (29 Prozent) zu Hause, bei Veranstaltungen (18 Prozent), am Arbeitsort (10 Prozent) oder in Bars und Clubs (7 Prozent). Warum also wird ausgerechnet dort eingegriffen, wo am seltensten eine Übertragung stattfindet? Der Gesundheitschef sagt:
«Nicht alle Leute waren so ehrlich. Wir gehen davon aus, dass sich viel mehr Leute in Clubs und Bars angesteckt haben, als sie zugegeben haben.»
So gaben 28 Prozent der Befragten an, nicht zu wissen, wo sie sich angesteckt hätten. Warum aber erlässt die Regierung ein Tanzverbot, statt Schutzmasken in Clubs vorzuschreiben, wie dies etwa der Kanton Thurgau neu anordnet? Diese Option habe man nicht diskutiert, sagte Damann im Nachgang zur Medienorientierung. Das Maskentragen beim Tanzen würde aber wohl zu wenig bringen. Ausserdem sei das Abstandhalten beim Sitzen einfacher. Ein weiterer Punkt habe aber zum Entscheid geführt, das Tanzen zu verbieten. So hätten etliche Salsaclubs in Zürich und Vorarlberg schliessen müssen. Deren Gäste seien danach nach St.Gallen gekommen, was man durch das Tanzverbot nun verhindern wolle.
Während der Kanton Thurgau für öffentliche und private Veranstaltungen ab 30 Personen neben der Masken- auch eine Meldepflicht vorschreibt, gilt ebenso in beiden Appenzell ein Tanzverbot, allerdings auch in Tanzschulen und Sportvereinen. Und der Kanton Graubünden wiederum verordnet in öffentlich zugänglichen Innenräumen und in bestimmten Bereichen der Bildungseinrichtungen eine Maskentragpflicht.