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Ostschweiz
Die geplante Ostschweizer Ausbildung für Textildesign ist noch vor dem Start Geschichte. Anmeldungen hätte es genügend gegeben.
Die Enttäuschung ist gross bei den Macherinnen an der St.Galler Schule für Gestaltung. Nach Jahren der Vorbereitung müssen sie den Diplomlehrgang Textildesign für die Ostschweiz beerdigen. Und zahlreichen Angemeldeten absagen, die alle Anforderungen für die berufsbegleitende Weiterbildung erfüllt hätten.
Grund für das Scheitern seien nicht fehlende Interessenten oder Anmeldungen, sagen Schulleiterin Kathrin Lettner und Lehrgangsleiterin Monika Kritzmöller auf Anfrage der «Schweiz am Wochenende». «Die angehenden Designerinnen und Designer erhielten nicht alle eine Anstellung in einem textilnahen Bereich.» Damit erfüllten sie eines der Kriterien für die Aufnahme in den Lehrgang nicht (siehe Kasten).
Lettner und Kritzmöller tönen beide an, die Unterstützung aus der Textilbranche sei in der Ost- und der Restschweiz eher verhalten gewesen. «Wir sind jedoch nach wie vor überzeugt, dass unsere nicht akademische, sehr praxisnahe Textildesign-Ausbildung eine Lücke im Schweizer Ausbildungsangebot geschlossen hätte.» Und eine Chance für den Textilstandort Ostschweiz und das hier vorhandene textile Wissen gewesen wäre. «Aber wenn die Branche das Angebot nicht annimmt, können wir nichts machen», sagt Lettner.
Vom Potenzial des Ostschweizer Lehrgangs überzeugt war unter anderem ein wichtiger Exponent der Branche: Martin Leuthold, preisgekrönter ehemaliger Chefdesigner der St.Galler Firma Jakob Schlaepfer, die unter seiner Führung immer wieder mit textiler Innovation und Neuerfindungen von sich reden gemacht hatte. «Zu glauben, es gebe in der Schweiz schon genügend kreative Köpfe und Designnachwuchs im Textilbereich, ist ein Trugschluss», sagt Leuthold auf Anfrage. Ihn dünke eher, der Innovationsgeist sei momentan in der Branche an einem etwas kleinen Ort.
«Ich finde es schade, dass man nicht mehr daran glaubt, an die 800 Jahre alte Ostschweizer Textiltradition anknüpfen zu können.»
Denn genau dafür brauchte es auch solche Ausbildungen, so Leuthold. «Ich bin überzeugt, dass man es schaffen könnte, in der Ostschweiz textile Laboratorien und Kreativpools zu schaffen, die im Textilbereich Neues und Gewagtes schaffen könnten. Egal, ob es dannzumal noch um Stickerei ginge oder nicht.» Die Textilbranche habe sich in den vergangenen Jahrhunderten oft genug ganz neu erfinden müssen, um erfolgreich zu sein. «Warum nicht auch diesmal?»
Etwas anders tönt es vom Schweizer Textilverband Swiss Textiles, dessen Direktor Peter Flückiger auf Anfrage schreibt: «In der Textilbranche besteht ein Mangel an Fachkräften im technischen Bereich. Designabsolventinnen und -absolventen auf Stufe Höhere Fachschule oder Fachhochschule sind jedoch ausreichend vorhanden.» Die Stellen könnten mit internen oder ausgebildeten externen Kandidaten besetzt werden. Zudem seien die Designteams meist klein. Es sei bedauerlich, dass die jungen Interessenten nun diese Ausbildung nicht starten könnten. Letztlich entscheide jedoch der Markt, wie viele und welche Lehrgänge durchgeführt werden könnten. «Gerade im Designbereich ist aber bereits ein gutes und ausreichendes Weiterbildungsangebot vorhanden.»
Diese Haltung können die St.Galler Initiantinnen nicht nachvollziehen. Monika Kritzmöller vermisst die Einsicht des Verbands, dass es in der Ostschweiz «nach wie vor eine unnachahmliche Kultur gibt, die es in die Zukunft zu tragen gilt». Dass in einer innovationsgesteuerten Branche keine Bereitschaft bestehe, in neue kreative Köpfe zu investieren, enttäuscht und verärgert sie. Und wie geht es nun weiter? «Wir werden nach dem Sommer nochmals über die Bücher gehen. Aber in den nächsten zwei Jahren wird das nichts mehr», sagt Kathrin Lettner.
Die Schule für Gestaltung am Gewerblichen Berufs- und Weiterbildungszentrum des Kantons St.Gallen (GBS) wollte eine berufsbegleitende Weiterbildung «Dipl. Gestalter/in HF Textildesign» anbieten. In sechs Semestern wären die Absolventen ab diesem Sommer in den Kompetenzbereichen Praxis, Kultur und Gesellschaft sowie Management breit ausgebildet worden. Nebst einer Tätigkeit von mindestens 50 Prozent in einem textilnahen Unternehmen hätten Teilnehmende eine abgeschlossene fachspezifische Ausbildung nachweisen müssen. Ziel der Ausbildung war, den Textilunternehmen gut ausgebildete Fachkräfte mit Praxiserfahrung für den kreativen Bereich zuzuführen oder unternehmerisch denkende Selbstständige mit neuen Geschäftsideen hervorzubringen. (oh)