Allein für Bussen und Gerichtskosten musste der Tierquäler von Hefenhofen rund 100'000 Franken aufbringen. Doch weit mehr erhielt er an Subventionen durch den Bund – auch dank dem überforderten Thurgauer Veterinäramt.
Gut 50 Gerichtsurteile reihen sich bisher im Fall Hefenhofen aneinander. Die ersten beiden Strafurteile gegen den Bauern und Tierhalter Ulrich Kesselring stammen aus den Jahren 1997 und 2003. Seit 2005 sind ununterbrochen Verfahren im Gang, oft mehrere parallel. Zu den 100'000 Franken, die Kesselring in all den Jahren für Bussen und Gerichtskosten aufbringen musste, kommen Honorare in unbekannter Höhe für die drei Anwälte, die ihn nacheinander vertraten. Im Thurgau gilt etwa bei Einsätzen als Offizialverteidiger ein stündlicher Honoraransatz von 200 Franken.
Vor dem Hintergrund von Kesselrings finanzieller Situation sind dies hohe Beträge. Gerichtsurteile erwähnen für ihn nur ein geringes steuerbares Einkommen, für 2005 beispielsweise weder ein steuerbares Einkommen noch Vermögen. «Über die finanziellen Verhältnisse des Angeklagten liegen keine zuverlässigen Daten vor», heisst es in einem Urteil des Bezirksgerichts Arbon von 2008, zumal er «offenbar jeweils keine Steuererklärung ausfüllt». Aktenkundig war immerhin, dass Kesselring auch «Eigentümer eines Hofs in Polen ist».
2009 wurden Betreibungen in sechsstelliger Höhe registriert.
In einem jüngsten Urteil vom 27. August 2018 bezeichnet das Bundesverwaltungsgericht die rund 50 Gerichtsfälle und die aussergewöhnlichen Umstände des Falls Hefenhofen als «gerichtsnotorische Besonderheit des Einzelfalls». Es geht davon aus, dass derzeit bei Kesselring Bedürftigkeit sowohl mit Blick auf die Einkommens- wie Vermögensverhältnisse herrsche.
Kein Wunder, stellte Kesselring während Jahren immer wieder Anträge auf unentgeltliche Rechtspflege. Im Rahmen der Strafurteile wurden diese von den Gerichten stets abgewiesen. Nicht so bei den Verwaltungsverfahren. Zwar sahen auch hier die Richter meistens keinen Grund dafür, den permanent vorgebrachten Anträgen zu entsprechen. Doch in immerhin vier Fällen hiessen sie die unentgeltliche Rechtspflege gut, so dass auch beim Kanton Thurgau in der Causa Hefenhofen Gerichtskosten von 40'000 Franken aufgelaufen sind.
Das Thurgauer Veterinäramt musste bei seinen Entscheiden sowohl das Tierwohl wie auch die Existenz des Bauernbetriebs im Auge behalten und ein entsprechend verhältnismässiges Vorgehen wählen. Dass es dabei oft konfus agierte, wurde in Teil 2 dieser Hefenhofen-Serie aufgezeigt. Welche finanziellen Konsequenzen es hatte, lässt sich anhand eines bundesgerichtlichen Entscheids vom Januar 2012 darstellen.
Der Tierquäler von Hefenhofen erhielt zwischen 2008 und 2013 durchschnittlich Bundessubventionen in Höhe von 73 500 Franken pro Jahr. Das seien allgemeine Flächenbeiträge und allfällige Öko-Direktzahlungen gewesen, keine Tierhalter- und Tierwohlbeiträge, teilte das Bundesamt für Landwirtschaft schon vor Jahresfrist mit. Damit wären Kesselring weitere Beiträge von über 40 000 Franken vorenthalten worden – dies aufgrund der nicht tiergerechten Haltung. Allein: Wegen Fehlern des Thurgauer Veterinäramts mussten diese Beiträge auf Geheiss des Bundesgerichts nachbezahlt werden.
So verpasste es das Veterinäramt 2008, auf dem Hof Kesselring eine Kontrolle durchzuführen. Es sei «umstritten, wer diesen Umstand zu vertreten hat und was daraus abzuleiten ist», stellten die Richter fest. Unbestritten war aber, dass das Amt Kesselring die Beiträge nicht verweigern konnte, ohne dass es den Hof kontrolliert hatte.
Ein heilloses Durcheinander muss beim Thurgauer Veterinäramt vor allem in den Jahren 2009 und 2010 geherrscht haben. Im Verfahren um ein Tierhalteverbot stellte das Veterinäramt bei einer Kontrolle am 13. November 2009 fest, auf dem Hof Kesselring stehe betreffend Tierhaltung alles zum Besten – was den bisherigen Erfahrungen widersprach. Nach Ansicht von Kesselrings Anwalt gab es auch bei zwei Inspektionen im Juni 2010 keine Beanstandungen. Kontrollberichte dazu fehlen allerdings. Gleichzeitig erklärte Kantonstierarzt Paul Witzig, bis zum 27. Oktober 2010 habe Kesselring die Anforderungen an den Tierschutz nie erfüllt.
Kurzum: Das Veterinäramt lehnte einerseits ein Tierhalteverbot in Hefenhofen mit der Begründung ab, auf dem Hof stehe alles zum Besten, anderseits verweigerte es gleichzeitig die Zahlung von Tierhalterbeiträgen, weil auf dem Hof gegen den Tierschutz verstossen werde. Das Gericht konnte angesichts dieser sich selbst widersprechenden Beurteilung durch das Veterinäramt nicht anders, als die Beschwerde Kesselrings gutzuheissen.
In der Folge mussten ihm Beiträge für drei Jahre in Höhe von über 100'000 Franken nachbezahlt werden.
Auch in den folgenden Jahren landeten die Beitragszahlungen regelmässig vor Gericht. Nun aber hatte Kesselring keine Handhabe mehr gegen die massiv vorgenommenen Kürzungen. Für das Jahr 2013 beispielsweise schützte das Bundesverwaltungsgericht einen Abzug von 28 000 Franken aufgrund der Verletzung von Tierschutzvorschriften.
Keinen Erfolg hatte der Tierquäler auch mit einer Schadenersatzforderung in Höhe von 247 499 Franken. Er machte sie geltend, nachdem er 2010 während 25 Tagen in Untersuchungshaft sass, da ihn die Untersuchungsbehörden verdächtigten, ins Wohnungsfenster eines Gläubigers geschossen zu haben. Das Verfahren verlief ebenso im Sande wie die Forderung Kesselrings. Immerhin erhielt er nach einem juristischen Seilziehen über alle Instanzen hinweg einige tausend zusätzliche Franken gutgesprochen für Aufwendungen, die er als Folge einer von den Behörden angeordneten Leerung der Güllegruben auf seinem Hof hatte.
Letztlich haben sowohl der Tierhalter wie die Thurgauer Behörden teuer für 20 Jahre Tierhaltung auf dem Hof Kesselring bezahlt. Daran hat auch der Erlös bei der Versteigerung der vom Hof evakuierten Pferde nichts geändert, der vorab dem Kanton zugute gekommen ist.
In einer dreiteiligen Serie hat die NZZ die Gerichtsakten zum Fall Hefenhofen ausgewertet. Der erste Teil erzählte die Geschichte des Pferdehändlers. Der zweite Teil beleuchtet das Verhalten der Thurgauer Behörden. Der vorliegende dritte Teil nimmt die finanziellen Folgen aus den Gerichtsfällen unter die Lupe. (kru)
Dieser Artikel erschien am 30. Oktober 2018 in der NZZ.