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Ostschweiz
Er sei mit dem Vorschlag der Nationalratskommission zur Reorganisation von Agroscope nicht wirklich glücklich, sagt Volkswirtschaftsdirektor Walter Schönholzer. Der Standort Tänikon ist zwar weiter im Rennen, aber die Ausgangslage nicht einfacher geworden.
Walter Schönholzer, die nationalrätliche Finanzkommission setzt bei Agroscope auf einen zentralen Campus und je ein regionales Zentrum in der Deutsch- und Westschweiz. Ist das aus Thurgauer Sicht nun ein Fortschritt oder ein Rückschritt?
Es ist insofern ein Fortschritt, dass man jetzt von drei Zentren spricht, nicht mehr nur von einem. Und diese werden nicht verortet.
Am freiburgischen Posieux als zentralem Campus dürfte aber kaum mehr zu rütteln sein.
Ich interpretiere das auch in diese Richtung. Aber man muss auch den zweiten Teil der Motion der Nationalratskommission lesen: Nämlich den Auftrag an den Bundesrat, Varianten zu prüfen. Eine Grundvoraussetzung dabei ist, dass Gemeinden und Kantone, welche sich für Standorte bewerben, die Sicherung der Fläche für notwendige Infrastrukturbauten und Versuchsflächen langfristig nachweisen müssen. Unter den heutigen Agroscope-Standorten gibt es aber solche, die einem enormen Siedlungsdruck ausgesetzt sind und mitten in überbautem Gebiet liegen.
Hier kann Tänikon punkten?
Richtig. Heute gibt es Standorte, die zwar erhalten bleiben wollen, aber Agroscope keine Garantie geben, dass das umliegende Land mittelfristig nicht zu Baugebiet wird. Das löst neue Optionen aus, die für Tänikon grundsätzlich positiv sind. Aber ich verhehle nicht, dass mir beim Vorschlag der Kommission ein Standort fehlt. Ich arbeite auf eine Zwei-plus-zwei-Variante hin − zwei in der Deutschschweiz und zwei in der Romandie.
Bleibt es bei drei, kann Tänikon nur noch hoffen, regionales Agroscope-Zentrum in der Deutschschweiz zu werden.
Es besteht eine Chance. Ich habe aber Respekt vor der Tatsache, dass dann zwei der Standorte in der Westschweiz liegen könnten und nur einer in der Deutschschweiz. Wenn man die Nähe zur ETH und zu anderen Forschungsinstituten in Betracht zieht, läuft das tendenziell eher in Richtung von Reckenholz im Kanton Zürich. Deshalb bin ich mit diesem Vorschlag der Kommission nicht wirklich glücklich.
Die Zürcher Konkurrenz ist übermächtig?
Das nicht. Was jetzt lanciert wurde, ist kein Zürcher Vorschlag, sondern die Variante der Finanzkommission des Nationalrats. Tänikon ist damit nicht vom Tisch. Aber einfacher wäre gewesen, wenn wir jetzt «Zwei-plus-zwei» auf dem Tisch hätten.
Walter Schönholzer: «Für mich ist Zürich nach wie vor ein Verbündeter».
Aus ehemaligen Verbündeten im Kampf gegen die Zentralisierung von Agroscope werden plötzlich Konkurrenten.
Das sehe ich nicht so. Für mich ist der Kanton Zürich nach wie vor ein Verbündeter. Wir arbeiten sehr gut zusammen. Ich bin für beide Kantone der Delegierte in den Gesprächen mit Agroscope. Wir haben gemeinsam auch etwas erreicht: In der Deutschschweiz wird es weiterhin Agroscope-Standorte geben. Das war vorher nicht klar, sondern wurde auch dank Zürich erreicht. Zudem soll nun, gestützt auf solide Fakten, eine sachliche Entscheidung gefällt werden. Das ist ein gewaltiger Fortschritt. Vorher wurde einfach aus dem Bauch heraus gefordert: Zentralisierung, Ende der Durchsage, fertig. Fakten gab es keine, und hinterfragt worden ist auch nichts.
Die geografische Lage spricht klar gegen Tänikon.
Es liegt nahe bei Zürich und ist von dort hervorragend erreichbar. Wir haben mit dem Bahnhof Aadorf auch einen S-Bahn-Anschluss. Hier bietet der Austausch überhaupt keine Probleme, wenn man etwa mit der Konstellation von Changins und der ETH in Lausanne vergleicht. Oder mit Posieux und Lausanne − dann ist es von Zürich nach Tänikon doch ein Spaziergang.
Der Thurgau setzt sich mit Haut und Haaren für die Forschungsanstalt Tänikon ein. Das Zittern geht weiter. Was kann man noch tun?
Den politischen Druck hoch halten. Erste Nägel wurden eingeschlagen. Zweitens in den Gremien aktiv, fordernd aber auch konstruktiv mitwirken. Und ausserdem darf man jetzt auch auf einen neuen Departementschef im Bundesrat − oder eine Chefin − hoffen. Das bietet die Chance auf einen Neustart in diesem «abverheiten» Geschäft. Denn wir brauchen angewandte Forschung für die Landwirtschaft. Die kann nur dezentral stattfinden. Und wir müssen attraktiv sein für forschende Mitarbeiter, wieder Sicherheit und eine langfristige Perspektive bieten. Die bereits jahrelange Reorganisiererei von Agroscope muss jetzt ein Ende haben.