Völkerrecht
Er kam als Flüchtling ins Land: Schweiz klagt Ex-Innenminister von Gambia wegen Verbrechen gegen Menschlichkeit an

Die Bundesanwaltschaft bringt den gambischen Ex-Innenminister Ousman Sonko vor Gericht. Er gilt als Handlanger des gambischen Ex-Diktators Yahya Jammeh. Sonko soll Folter, Vergewaltigungen und Tötungen veranlasst haben.

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Der Fall des gambischen Ex-Innenministers Ousman Sonko liegt nun beim Bundesstrafgericht in Bellinzona.

Der Fall des gambischen Ex-Innenministers Ousman Sonko liegt nun beim Bundesstrafgericht in Bellinzona.

Keystone

Ousman Sonko war in seinem Leben schon vieles: Kommandant der gambischen Nationalgarde, Polizeichef, Innenminister, Flüchtling, Untersuchungshäftling und jetzt Angeklagter wegen Verdachtes auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Nach einer sechsjährigen Untersuchung bringt die Bundesanwaltschaft den 54-jährigen Gambier vor Gericht, wie die Behörde am Dienstag mitteilte.

Als Innenminister von Gambia soll Sonko zwischen 2006 und 2016 an Tötungen, Folterungen, Vergewaltigungen und illegalen Inhaftierungen beteiligt gewesen sein, schreibt die Bundesanwaltschaft (BA). Er soll damit die repressive Politik von Ex-Präsident Yahya Jammeh gestützt haben und sich an der Verfolgung von Oppositionellen, Journalisten und Putschisten beteiligt haben, heisst es weiter. Die BA schreibt von einer «systematischen und ausgedehnten Repression gegen die Zivilbevölkerung».

Angeklagter lebte als Flüchtling in Lyss (BE)

2016 verliess er das Land und flüchtete nach Europa, wo er Asyl beantragte. Kurzzeitig hielt er sich in einer Flüchtlingsunterkunft in Lyss im Kanton Bern auf. Eine Nichtregierungsorganisation reichte anschliessend bei der Bernischen Staatsanwaltschaft Anzeige gegen Sonko ein. Kurz darauf übernahm die Bundesanwaltschaft den Fall.

Diese schreibt, sie habe Sonko in den letzten Jahren mehrfach befragt, sowie rund 40 Einvernahmen von Privatklägern, Auskunftspersonen und Zeugen geführt. Ihre Anträge wird sie an der Hauptverhandlung am Bundesstrafgericht in Bellinzona vorbringen, heisst es weiter. Der Vorwurf lautet auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Verbrechen gegen Menschlichkeit: ein seltener Straftatbestand

Anklagen auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit sind in der Schweiz eine Seltenheit. Als Straftatbestand wurden sie 2011 ins Schweizer Strafgesetzbuch aufgenommen. Seither wurden der Bundesanwaltschaft knapp 90 entsprechende Fälle unterbreitet, die jedoch in den meisten Fällen nicht den Anforderungen entsprachen.

Gemäss Bundesanwaltschaft werden aktuell 15 Strafverfahren wegen Kriegsverbrechen, Völkermord oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit geführt. (gb)