Der 59-jährige Valerio Lazzeri ist mit sofortiger Wirkung als Bischof von Lugano zurückgetreten. Er könne dieses Amt nicht länger ausüben.
Die innere Anspannung war Bischof Valerio Lazzeri anzumerken. Sichtlich emotional trat er am Montagmittag im Bischofspalast von Lugano vor die Medien, um zu verkünden, was seit Freitag ein Gerücht war: Der Rücktritt von seinem Amt als Bischof. Papst Franziskus hatte ihm dieses Amt vor knapp neun Jahren anvertraut und nun hat er die Demission angenommen. Der Bischofssitz ist somit offiziell vakant. Der Papst hat Alain de Raemy, Weihbischof der Diözese Lausanne, Genf und Freiburg, zum Apostolischen Administrator der Diözese Lugano ernannt, bis ein neuer Bischof ernannt wird.
Bischof Lazzeri begründete seinen Rücktritt mit sorgfältig abgewogenen Worten. Er habe sein Episkopat immer mit Freude und von Herzen ausgeübt, «doch vor allem in den letzten beiden Jahren ist die innere Müdigkeit gewachsen - und das hat mir immer mehr den Schwung genommen, der nötig ist, um eine Diözese zu leiten.» Er erwähnte die repräsentativen sowie finanziell-administrativen Aufgaben, welche immer mehr zur Last geworden seien. Genauso habe er zunehmend gehadert mit der Autorität, welche eine solche Position erfordere. «Ich kann mich selbst nicht mehr in diesem Amt vorstellen», so der Bischof, der sich nun im Gebet zurückziehen will, abseits des öffentlichen Rampenlichts. Er bat um Verzeihung für seine Unzulänglichkeit.
Valerio Lazzeri nannte keine einzelne Episode, die als Schlüsselmoment für seinen Entschluss zum Rücktritt zu interpretieren ist. Doch in seinem neunjährigen Episkopat gab es zahlreiche Moment, welche für ihn eine grosse Herausforderung darstellen, etwa die Einstellung der Tageszeitung «Giornale del Popolo» im Jahr 2018, welche der Diözese gehörte. Nicht nur der Entscheid, sondern auch die Art der Kommunikation durch den Bischof stiess auf harsche Kritik.
Belastend waren sicherlich auch mehrere Skandale, in welche Priester verwickelt waren. Erst vor kurzem trat ein Priester eine Haftstrafe an, der zugegeben hatte, die eigenen Eltern und eine Stiftung um mehrere Hunderttausend Franken erleichtert zu haben, um damit seinen Lover zu unterhalten.
Gravierend war er auch der Vorfall eines Geistlichen der Diözese, der in Rimini sein 18 Jahre altes Firmpatenkind vergewaltigt hatte, das sich daraufhin das Leben nahm. Jüngst entband Bischof Valerio zudem einen Priester russischer Herkunft von seiner Funktion, nachdem dieser wiederholt betrunken angetroffen worden war und in einer Diskothek eine Frau begrapscht hatte. Und nicht vergessen ist auch der Vorfall rund um einen ehemaligen Generalvikar, der über Jahre mit einer finnischen Hausangestellten zusammenlebte, die nicht gemeldet war. In allen Fällen glänzte Bischof Valerio Lazzeri nicht durch transparente Kommunikation. Viele Katholiken im Tessin hätten sich klarere Worte gewünscht.
Besonders belastend war aber mit Sicherheit die Bewältigung der administrativ- finanziellen Angelegenheiten der Diözese. «Ich habe keinen Hochschulabschluss in Wirtschaft oder Handel», hielt Bischof Valerio an der Medienkonferenz fest. Diese Dinge seien weit weg von seinem spirituellen und theologischen Wissen, das für ihn im Vordergrund stehe.
Die Schweizer Bischofskonferenz bedauerte ihrerseits den Rücktritt, wie sie am Montag mitteilte. Lazzeri habe während neun Jahren im Dienste des kirchlichen Lebens in der Schweiz gestanden. Er habe sich insbesondere in der theologischen Forschung und Ausbildung engagiert.
Nun beginnt die Suche nach einem geeigneten Nachfolger. Das katholische Nachrichtenportal kath.ch brachte bereits Mauro Giuseppe Lepori (63), Generalabt des Zisterzienserordens in Rom, als aussichtsreichen Kandidaten ins Spiel. Doch eine Neubesetzung kann viel Zeit beanspruchen. Ad interim wird Weihbischof Alain de Raemy als Apostolischer Administrator die Diözese Lugano verwalten. Der 63-jähirge Hilfsbischof von Lausanne, Genf und Freiburg hat sich bereits im Bischofspalast von Lugano installiert, wie er anlässlich der Medienkonferenz erklärte. Als ehemaliger Kaplan der Schweizergarde lebte de Raemy sieben Jahre in Rom. Er spricht daher ausgezeichnet Italienisch, was er gleich unter Beweis stellte. Selbst mit dem Tessiner Dialekt wolle er sich versuchen, sagte er unter dem Schmunzeln der Medienschaffenden, mit denen er gleich unkompliziert in Kontakt trat: «Ihr habt mir zugehört, jetzt höre ich Euch zu.»
Die Diözese Lugano ist eine vergleichsweise junge Diözese und hat sich erst 1971 vom Bistum Basel gelöst, der sie bis zu diesem Zeitpunkt formal als Apostolische Administratur unterstellt war. Unter den bisherigen Bischöfen war insbesondere Eugenio Corecco prägend, der auch eine theologische Fakultät in Lugano gründet. Mit dem Rücktritt von Bischof Lazzeri zählt die Diözese Lugano nun drei emeritierte Bischöfe in ihrem Kreis. Ernesto Togni (*1926) war von 1978 bis 1986 Bischof, Giacomo Grampa (*1936) bekleidete dieses Amt von 2004 bis 2013.