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Die UNO-Expertengruppe für Menschen afrikanischer Abstammung hat die Rassismus-Situation in der Schweiz untersucht und zeigt sich besorgt. Sie empfiehlt Massnahmen in der Justiz, im Bildungs- und Gesundheitsbereich.
Die Expertinnen und Experten der UNO-Arbeitsgruppe haben die vergangenen zehn Tage in der Schweiz verbracht und Vertreter von Bund, Kantonen, Gemeinden und gemeinnützigen Institutionen getroffen. Ebenso suchten sie das Gespräch mit zahlreichen Personen afrikanischer Herkunft. Am Montag präsentierten sie ihre Erkenntnisse vor den Medien.
Obwohl es Bestrebungen gegen die Diskriminierung von Menschen afrikanischer Herkunft gebe, zeigte sich die Präsidentin der Expertengruppe, Dominique Day, besorgt über die Situation in der Schweiz. Die Schweiz habe zwar die internationalen Menschenrechtsinstrumente zur Rassismusbekämpfung ratifiziert, doch «schien dies auf kantonaler Ebene oft nicht anerkannt zu werden», sagte sie. Die Bundesbeamten beriefen sich derweil auf fehlende Befugnisse in Angelegenheiten, die in die Zuständigkeit der Kantone fallen.
Die Arbeitsgruppe habe vorherrschenden systemischen Rassismus festgestellt, so Day weiter. «Es gibt keine ausreichende Unabhängigkeit bei der Untersuchung und Verfolgung von polizeilichem Fehlverhalten, Brutalität und Tötungen.» Unter anderem trafen die Vertreterinnen den jungen Straftäter Brian K. im Gefängnis Pöschwies. Rassendiskriminierung und Ungerechtigkeit seien in «jeder Phase dieses Falles offensichtlich». Auch die Polizeiarbeit im Zusammenhang mit Drogen würde unverhältnismässig oft Männer afrikanischer Abstammung betreffen.
Die Experten empfehlen dem Bundesrat, das Mandat der nationalen Menschenrechtsinstitution zu stärken, und «ausreichende personelle und finanzielle Ressourcen» für Einzelbeschwerden im Zusammenhang mit Fällen von Rassendiskriminierung bereitzustellen. Im Kontext der Strafjustiz sollten Menschen engagiert werden, welche Fachwissen zur Erkennung und Bekämpfung von antischwarzem Rassismus haben. Weiter sprechen sie sich für eine unabhängige Untersuchung aller Todesfälle infolge von Polizeieinsätzen, in Gewahrsam oder in Asylzentren aus.
Auch im Alltag stellte die Arbeitsgruppe verschiedene Ursachen von Diskriminierung fest. Medizinische Fachkräfte seien nicht mit Patientenmodellen von Menschen afrikanischer Abstammung konfrontiert, heisst es im provisorischen Bericht. Sie seien nicht in der Lage, Krankheitssymptome zu interpretieren. «Fehldiagnosen sind keine Seltenheit.» Die UNO-Expertinnen empfehlen, dass Gesundheitspersonal spezifisch über den systemischen Rassismus im Gesundheits- und Pflegesektor informiert wird.
Weiter müsse die Schweiz auch im Bildungssystem genauer hinschauen. So gelte es, die Rolle von Lehrpersonen und Mitschülern bei systemischem Rassismus zu klären und altersgerechte Interventionen einzuführen. Die Arbeitsgruppe empfiehlt der Regierung zudem, Massnahmen zu ergreifen, um die Zahl der Lehrkräfte und Akademiker afrikanischer Abstammung in den Bildungseinrichtungen zu erhöhen.
Als Vorbild für die ganze Schweiz kann laut Bericht der Kanton Genf gelten. Dieser hat Anhörungen durchgeführt, an denen ausschliesslich Menschen afrikanischer Abstammung teilnahmen und daraus zwölf Massnahmen formuliert, die als Grundlage für die Anti-Rassismus-Aktivitäten des Kantons dienen.