Ob Drogenhandel oder Geldwäscherei, Täter hinterlassen Spuren auch im Internet und am Telefon. Die Spurensuche wird in Bern Bümpliz zentralisiert. Ein Besuch bei jenen, die den Post- und Fernmeldeverkehr überwachen.
BERN. Bern Bümpliz, ein moderner Büroturm in Weiss und Glas: Hier steht das Informatik Service Center des Justiz- und Polizeidepartements, hier befinden sich auch die Büros des Dienstes Überwachung Post- und Fernmeldeverkehr (ÜPF). An sie wenden sich die Strafverfolgungsbehörden, wenn im Rahmen eines laufenden Strafverfahrens das Telefon oder der Computer eines mutmasslichen Täters angezapft werden soll.
Genau genommen übermitteln die Staatsanwälte ihren Überwachungsauftrag per Fax – so will es das etwas in die Jahre gekommene Gesetz. Michelle Nyfeler, die Leiterin Überwachungsmanagement, kann sich ein Seufzen nicht verkneifen. «Es ist eine etwas papierlastige, veraltete Arbeitsweise.» Ihr Team erfasst am Computer den Namen des ermittelnden Polizisten, des Überwachten, den Grund der Überwachung – etwa ein Betäubungsmitteldelikt – und die vom Staatsanwalt verlangte Art der Überwachung. Möglich sind zwei Varianten: Bei der Echtzeitüberwachung horchen die Polizisten direkt bei Telefongesprächen mit, bei der rückwirkenden Überwachung werden die von den Fernmeldedienstanbietern gespeicherten Daten ausgewertet. Zu dieser Randdatenspeicherung, wie sie im Fachjargon heisst, sind die Anbieter per Gesetz während sechs Monaten verpflichtet.
Ginge es nach den Staatsanwälten, würde diese Frist auf zwölf Monate verdoppelt. Gerade bei langwierigen internationalen Rechtshilfeverfahren seien sechs Monate zu knapp, so das Argument. Auf der anderen Seite verwerfen die Anbieter die Hände ob der damit verbundenen Kosten, Datenschützer und besorgte Bürger warnen vor dem Überwachungsstaat. Ob sechs oder zwölf Monate, darüber entscheidet die Politik und im Falle eines Referendums letztlich das Volk. Die Revision des Büpf, also des Bundesgesetzes, welches die Überwachungstätigkeit regelt, wird im Dezember erneut im Ständerat debattiert. Anders als bei der Echtzeitüberwachung werden bei der Randdatenspeicherung aber keine Gesprächs- oder E-Mail-Inhalte bekannt, sondern nur die Informationen, wer mit wem wo, wie und wie lange kommuniziert hat.
Es sind nicht Nyfelers Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, welche diese Daten übermitteln: Die Anbieter – also etwa Swisscom, Sunrise oder Salt – liefern diese auf Anweisung des Dienstes ÜPF auf einer DVD an die Ermittler. Bei einer Echtzeitüberwachung wiederum gehen die Daten vom Provider an das Interception System Schweiz ISS. Das 13 Millionen Franken teure System steht streng abgeschirmt im Keller des Gebäudes, auch die Mitarbeiter des Dienstes haben keinen Zugang dazu.
Die Polizisten können nach der Ausleitung durch die Provider auf die gewünschten Daten im ISS zugreifen, die Mitarbeiter des Dienstes selber nicht. Sie haben grundsätzlich keinen Einblick in die Überwachungen. Vielmehr stellen sie sicher, dass alles rechtmässig abläuft, wenn die Polizei das gewünschte Material erhält. Nils Güggi, Leiter Recht und Controlling, spricht von strengen Voraussetzungen für eine Überwachung. Gemäss der geltenden Strafprozessordnung müssen ein dringender Tatverdacht und eine schwerwiegende Straftat vorliegen. Zudem darf eine Überwachung nur erfolgen, wenn die Ermittlungen ohne sie aussichtslos wären. Zudem braucht es die Bewilligung eines Zwangsmassnahmengerichts. Trifft die Bewilligung nicht innert fünf Tagen beim Dienst ÜPF ein, wird die Überwachung eingestellt. «Wir haben eine Vermittlerrolle. Wir stellen die Verbindung zwischen den Strafverfolgungsbehörden und den Providern her», erklärt Nyfeler. Nur in ganz seltenen Fällen hört der Dienst ÜPF mit, etwa wenn es für die Ermittler ein technisches Problem zu lösen gilt.
Manchmal betrifft ein Überwachungsauftrag auch die Post. Da wird dann ein eingeschriebener Brief oder ein Paket möglichst unauffällig vom Sicherheitsdienst der Post geöffnet und je nach Gefährlichkeit des Inhalts weitergeleitet oder nicht. Sind Drogen im Spiel, kann eine Auslieferung für Ermittlungszwecke sinnvoll sein. Solche Fälle gäben zwar Stoff für einen Film her, kommen im Alltag der Überwacher aber kaum vor: 99 Prozent aller Aufträge betreffen die Mobiltelefonie, wie Dienstleiter René Koch erklärt. Und dabei geht es nur um die traditionelle Telefonie. Denn bei der verschlüsselten Internettelefonie, etwa über Skype, verstehen auch die Lauscher nichts. Dafür brauchte es den Einsatz der heftig umstrittenen Spionagesoftware, sogenannter Staatstrojaner, die mit der Büpf-Revision legalisiert werden soll.
Doch auch beim Dienst ÜPF stehen mit der Revision Neuerungen an, die es in sich haben. Der Dienst trüge künftig die Verantwortung für eine zentrale Datenbank, in der sämtliche Überwachungen während 30 Jahren gespeichert würden – der DVD-Verkehr würde abgeschafft. Heute schickt der Dienst nach Abschluss eines Dossiers die Daten per DVD an die Polizei, löscht sie bei sich und verschickt die Rechnungen an die Auftraggeber: 2410 Franken kostet eine Telefon-, 4160 Franken eine Internetüberwachung. Ein Teil der Gebühren, 1330 Franken, geht als Entschädigung an die Provider.
Der Dienst ÜPF führt jährlich rund 10 000 Überwachungsaufträge aus. Er ist an 365 Tagen rund um die Uhr im Einsatz. Denn manchmal drängt die Zeit, vor allem, wenn es um Notsuchen geht. Ab und zu gehen Mitarbeiter des Dienstes selber in den Einsatz. Rund zwanzigmal jährlich rückt jemand vom Provider-Management mit einer mobilen Anlage aus – etwa in ein Hotel, das sein Netz den Gästen zur Verfügung stellt, für die Datenausleitung aber nicht die nötige Technik besitzt.